Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Karl Haeckel und Familie, Triest, 7. April 1878

Triest 7. April 78

Sonntag Morgen.

Ihr theuren Lieben in Jena und Potsdam!

So eben bin ich glücklich Hier wieder eingetroffen, nachdem ich gestern Abend 11 Uhr in Venedig das Dampfschiff bestiegen und in 7 Stunden bei glatter stiller See die angenehmste Überfahrt hierher gehabt habe. Am Quai wurde ich bereits von meinen liebenswürdigen Triester Freunden empfangen, Krauseneck (Vater u. Sohn). ||

Ich fuhr sogleich vom Quai zu meinem neuen Gastfreunde, dem berühmten Norpolfahrer Weyprecht, der mich in liebenswürdigster Weise zu sich eingeladen hatte. Er ist Junggesell und ich wohne bei ihn ganz ungenirt in einem reizenden stillen Gartenhause, ziemlich hoch in der Stadt gelegen (via Massimiliano, vicolo S. Lucia, 30).

Rings um das Häuschen südlich Bäume im frischen Frühlingsgrün, aus dem Fenster schönste Aussicht auf das Meer und Gebirge, in der Ferne das unvergleichliche Miramare; kurz ein idyllischer Aufenthalt, recht nach meinem Geschmack. ||

Ich werde nun 4 Tage hier bleiben und nächsten Donnerstag (11. April) nach Pola fahren, wo ich 10–14 Tage zu Fischen und zu arbeiten gedenke, dann über Fiume, und über Wien direct zurück.

Hier in Triest habe ich von meinen zahlreichen guten Freunden noch verschiedene Festlichkeiten auszuhalten. Heute ist Diner bei Krausenecks, morgen bei Brettauer, übermorgen beim deutschen General-Consul u.s.w. Hoffentlich hält mein armer Magen diese letzten und höchsten Anstrengungen noch glücklich aus. ||

Eure Briefe (aus Jena und Potsdam) habe ich in Venedig alle richtig erhalten, ebenso auch einen Haufen Briefe aus Wien (unter denen verschiedene Bettelbriefe!!) Die nächsten Briefe richtet am besten hierher (Adresse – einfach: Schiffslieutenant Weyprecht). Von Pola aus werde ich sofort Euch schreiben und meine Adresse angeben. Es ist möglich, daß ich noch einige Tage länger in Triest bleibe; besonders wenn das Wetter gut ist. Bisher hatte ich leider überwiegend schlechtes Wetter, viel Kälte und Regen. Trotzdem bin ich sehr wohl und habe die Kölner Erkältung ganz abgeschüttelt.

Mit herzlichsten Grüßen

Euer treuer Ernst Haeckel

 

Letter metadata

Dating
07.04.1878
Place of origin
Country of origin
Possessing institution
EHA Jena
Signature
EHA Jena, A 38492
ID
38492