Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 24./25. Juni 1881
Potsdam 24/6 81
Mein lieber Ernst!
Heute habe ich viel an Jena gedacht, gewiß bist Du mit Frau und Kinder draussen gewesen um die Johannisfeuer zu sehn. Ueberhaupt sind in diesen Tagen meine Gedanken viel mit Dir; ist mir es doch so leid, daß Du so mancherlei Unannehmlichkeiten zu bekämpfen hast; doch wollen wir uns bei allem das Beßte heraussuchen; bei der fatalen Geschichte mit Heinnrich, ist es mir Beruhigung, daß ich die Ueberzeugung habe: Du hast Recht gethan, mit der Erklärung, die Du || abgegeben bin ich ganz zufrieden. – Daß Du das Stipendium nicht bekommst, ist vielleicht recht gut, dann kannst Du die Reise nicht zu weit ausdehnen, bist Niemanden verpflichtet, stehst auf eigenen Füssen; freilich brauchten die Gelehrten hochmüthigen Männer in Berlin nicht so schnöde zu sein, doch damit beschimpfen sie sich selbst. Und Du mußt Dich nicht darüber ärgern. Ich werde jetzt von dem Gelde, das ich für Dich einnehme nichts anlegen, sondern in die Creditbank legen in der Abtheilung, die || man ohne lange Kündigung erheben kann. –
Heute fand ich beim Durchsuchen des Schubkastens vom Tisch 5 Liferungen: Malerische Reisen etc; ich habe sie in meinem Bücherschrank gelegt, und werde sie mit Deiner Erlaubniß lesen oder wünscht Du, daß ich sie Dir gleich zurück schicke??
Sonnabend früh.
Heute Nachmittag wird Karl zu einer Conferenz nach Berlin fahren. Morgen wird die Gesellschaft bei mir zu Mittag sein; wie schön || wäre es, wenn meine lieben Jenenser mit uns sein könnten; doch das kann einmal nicht sein; aber ich muß Dir und Deinem Hause doch zu morgen einen freundlichen Sonntags Gruß schicken. Hoffentlich bist Du mit Frau und Kinder gesund und fröhlich, und behälst lieb
Deine
alte Mutter.