Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 1. Juni 1875
Potsdam 1/6 75.
Lieber Ernst!
Durch Dein Hiersein bin ich wieder so verwöhnt, mit Dir alles zu besprechen, daß es mir schwer wird zu schreiben, und doch muß ich mit Dir es klar machen, wie ich mir den Sommer eintheile. Du sprachst den Wunsch aus, daß ich Dich besuchen solle, und Du weißt, wie gerne ich mit Dir bin, aber ich bin dadurch zweifelhaft; daß ich glaube: Agnes ist es nicht lieb. Denn warum wollen wir es nicht offen miteinander besprechen, glaube mir: ich bin dadurch nicht gekränkt; da ich ja weiß, || wie Agnes jede aussergewöhnliche Unruh im Hause unbequem und lästig ist, und ich will ihr nicht gerne dergleichen bringen. Ich wollte Dir dies schon hier sagen, es kam aber bei der kurzen Zeit nicht dazu. Von Dir, mein Herzens Ernst, bin ich überzeugt, wie gerne Du mir eine Freude machst, und so bin ich Dir auch dankbar für Deine freundliche Aufforderung, bitte nur Dich dringend: mir ganz aufrichtig zu sagen; ob es nicht besser ist wenn ich lieber nicht komme? a ||
Wie mir Clara sagt, so habest Du mit Karl besprochen er solle mich mit nach Merseburg nehmen, und Du von dort nach Jena. –
Paßt das wohl, und wird in Merseburg dann, wo die Feier ist nicht schlecht Unterkommen sein? und ist es nicht besser wenn ich später und dann auf der Thüringischen Bahn reise? Jedenfalls möcht ich es aber in Zeiten wissen ob und wann ich reisen soll, da sich darnach noch manche häusliche Einrichtung richten muß. Ich bitte Dich daher dringend: gieb mir darüber bald Bescheid. ||
Hoffentlich bist Du mit Deiner lieben Frau gesund und heiter, und die Kinder bleiben auf der Besserung; bei jedem Sonnenschein denke ich an die lieben Drei, ich denke frische Luft wird allen gut thun, besonders unserm zarten Emmchen. – Sag mir auch bei Deiner Antwort wie es den Kindern geht? aber wahr. – – Agnes und den Kindern Herz innigen Gruß. Wie immer
Deine
alte Mutter
L. Häckel.
Morgen denke ich nach Berlin zu fahren.
a gestr.: oder