Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Agnes Haeckel, Potsdam, 7. September 1873

Potsdam 7/9 73.

Liebe Agnes!

Herzlich danke ich Dir für Deinen heute erhaltenen Brief mit den Tageberichten von Ernst. Mit Dir freue ich mich, daß er gesund ist. Gott gebe, daß er auch so heimkehre; und er sich dann kräftiger und frischer fühle, als er es bei seiner Abreise war. –

Wie schmerzlich ist es aber, daß Du keine gute Nachricht von Berlin hast, mit dem Leiden des armen Kindes wächst auch die Sorge der bekümmerten Eltern. So ist die arme Marie noch ihres häuslichen Lebens nicht froh geworden nach ihrer Heimkehr, hoffentlich ist ihr Mann wieder wohl. ||

Daß unsere liebe Lisbeth, oder wie sie sagt: Mammas seinea liebe Lisbeth, unwohl war, thut mir leid. Hoffentlich ist sie wieder hergestellt. Sollte bei Dir oder den Kindern jetzt wieder so was vorkommen, so halte sie lieber gleich im Bett. Mir ist es auch nicht ganz gut gegangen: ich fühlte mich schon lange nicht ganz recht; nun bekam ich Freitag Abend Diare, was in der Nacht unzählbar oft mich aus dem Bette trieb, und als ich gestern früh auf-||gestanden, war ich so elend, daß ich mich gleich wieder hinlegen mußte; was mir um so unangenehmer war; da bei mir zu Mittag Karl und Clara mit dem bei ihnen wohnenden Fritz Lampert bei mir sein sollten.

Was half es aber, ich schickte nun früh die gespickte Rehkeule zu Clara mit der Bitte sie bei sich zu braten und zu verzähren. Natürlich blieb ihnen dabei die Ursache nicht verborgen, und Karl sagte mir früh gleich er habe den Doctor bestellt, der || dann auch strenge Maßregeln gab; Clara war dann auch Vormittag noch einige Stunden bei mir und Nachmittags Anna; Abends auch noch Karl mit Fritz Lampert, der Abschied nahm. Heute früh war Karl schon um 6 Uhr hier, und da er nach Berlin mußte mit Lampert, von mir das Versprechen haben wollte nicht eher das Bett zu verlassen bis der Doctor es erlaube, der dann auch so vernünftig war, da ich kein Fieber habe. Mariechen war den ganzen Vormittag bei mir; Dein Brief fand mich noch im Bett, jetzt fühle || ich mich wieder wohl, wenn auch matt; ich habe auch schon zu Mittag einen Teller Suppe gegessen, gestern konnte ich nichts geniessen. –

Hierbei, liebe Agnes, schicke ich Dir auch Ernstens ersten Brief zurück, den Reisebericht habe ich zu den heute empfangenen gelegt um sie Euch dann zusammen wieder zu zustellen; sobald ich kann werde ich die gewünschten Sachen abschicken; sei so gut und sage mir mal, ob Du zum Kopfküssen für Walter blos Inlett haben wolltest, oder auch Federn, ich weiß es nicht mehr recht? – ||

Ich kann mir recht denken, wie Du beschäftigt bist, alles zu ordnen; halte Dich nur recht frisch und gesund mit den Kindern, daß Ernst bei seiner Heimkehr seine Lieben gut findet. Grüsse Deine liebe Mutter und Clara herzlich und den Kindern gieb einen Kuß von

Ihrer

alten Großmutter

L. Häckel.

a eingef.: seine

 

Letter metadata

Recipient
Dating
07.09.1873
Place of origin
Country of origin
Possessing institution
EHA Jena
Signature
A 36541
ID
36541