Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 7. Mai 1872

Potsdam 7/5 72.

Lieber Ernst!

Dank für Deinen lieben Brief. Meine Sehnsucht nach Dir war so groß, daß es mir immer vorkam, es seien schon Wochen vergangen seit Du hier warst, und ich wollte immer schreiben, ich hatte Sorge ob Du glücklich heimgekehrt seist, und zu Hause alles nach Wunsch gefunden habest. Nun Gott sei Dank Dein gestern erhaltener Brief giebt mir ja beruhigende Nachricht. Gott nehme Euch ferner in seinen väterlichen Schutz. – ||

Daß Du mit der Zahl Deiner Zuhörer zufrieden bist, freut mich. Wie lieb ist es mir überhaupt, daß Du in Deiner Berufsthätigkeit Befriedigung findest. – Ich kann mir denken, welche Gefühle Du in Merseburg hattest. Ich habe in unserer Berechnung für Dich in Einnahme die 5 Thaler gesetzt, die Du an Th. Zwarg, geb. N. gegeben. Für Frau Merkel wünsche ich recht, daß die Operation von Ernst glückt. Die Frau hat viel Leid. || Was Du vom Grabe meiner lieben Schwiegermutter schreibst hat mich nicht befremdet, ich habe es immer so gefürchtet, und es ist mir sehr lieb, daß Du da warst, wir wollen nun reiflich überlegen, was da zu machen ist; jedenfalls denke ich wir lassen eine Tafel einsetzen worauf geschrieben wird: Erbbegräbniß der Familie Häckel: – Die Porzellantafel mit Einschrift ist doch noch auf dem Grabe der Mutter?? Vielleicht fährt Karl mal nach Merseburg. ||

Seit Du hier warst haben wir hier viel Unruh gehabt: Herrmann und Heinerich wohnen ganz bei mir, und werden auch noch länger bleiben. Heute vor 8 Tagen sind Karls gezogen; Sonnabend haben sie zuerst im Hause Mittag gekocht, bis dahin assen die Kinder alle bei mir und für Karl, Clara und die beiden Mädchen wurde das Essen von hier geholt; zwei Nächte waren die 3 Kleinen hier, ich hatte ein Lager für sie in meiner Schlafstube gemacht; ein schönes Bild. – ||

Sonnabend 2/5, Claras Geburtstag, aß die ganze Gesellschaft hier, wozu noch Onkel Müller und Tante Bertha kamen, so waren wir 12 Personen am Tisch, ausserdem ließ ich noch für die 3 Mägde kochen, zwar nur Milchreis mit Bratwurst; da meine Gäste mit Hühnersuppe, Spargel, Rehbraten etc bewirthet wurden. Da mußte Deine Alte sich recht tummeln, da sie mit ihrer kleinen Marie alles machte; doch es ging und war zu meiner Freude alles gut gerathen. Nachmittags kamen noch Liskos, und die ganze Gesellschaft fuhr in einem großen Wagen zur Moorlake; natürlich blieb ich zu Hause, das war für mich zu viel. Nächstens wird wohl Herrmann || Bleek, der bei seiner Mutter zum Besuch ist, herkommen. – Beim Lesen des großen Unglücks, das der Ausbruch des Vesuvs gemacht, dachte ich recht daran mit welchem Intresse Du es lesen würdest, da Dir die Gegend bekannt ist. – –

Die Sachen, die von Dir noch hier sind wollte ich dir bald nach Deiner Abreise schicken und noch einige Apfelsinen zupacken, aber schon nach Verzögerung von 2 Tagen wurdena die Apfelsinen schlecht, also wagte ich es nicht sie durch Fracht zu schicken. Soll ich die Sachen bald schicken oder nach und nach ge-||legentlich; ich dachte schon, ich könne was davon mitbringen, wenn ich zu Euch komme, was geschieht, wenn es irgend möglich ist, ich sehne mich nach Euch, Lieben alle, und wenn Du mich nicht auslachst, gestehe ich Dir am meisten nach der kleinen Lisbeth, das Mädel kenne ich ja noch gar nicht, und dann nach Walter und mit Dir und Deiner Agnes hoffe ich dann einige Tage traulich zu leben. Wünscht Du aber die Sachen bald zu haben, so schreibe es nur, ich schicke es dann als Frachtgut. –

Karls Haus ist wirklich recht pracktisch und für sie passend, die Stuben geräumig. Wenn ich es sehe, so habe ich immer den Wunsch, ach wenn doch meine lieben Jenenser auch eine solche hätten. – ||

So sehr ich mich auch immer sehne, von Euch, Lieben, zu hören, so mag ich Dir doch nicht zumuthen bei Deinen vielen Arbeiten auch noch mir zu schreiben. Wenn Du sehr beschäftigt bist, erzeigt mir wohl Agneß die Liebe, und sagt mir wie es Euch geht.

Sei Du mit Frau, Kinder, Karlchen und Deiner Schwiegermutter aufs innigste gegrüßt von

Deiner

alten Mutter

Lotte

Dinstag

den 7ten Mai.

a gestr.: fingen; eingef.: wurden

 

Letter metadata

Recipient
Dating
07.05.1872
Place of origin
Country of origin
Possessing institution
EHA Jena
Signature
A 36462
ID
36462