Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 9. November 1861

Berlin d. 9ten

November 61.

Mein lieber Herzens Ernst!

Wie sehr ich mich gefreut habe über die Nachrichten von Dir, daß Du wohl angekommen bist, und Dich in Deinem Hause und Deinem Berufsleben behaglich fühlst, brauche ich Dir nicht erst zu sagen, Du weißt ja wie lieb ich Dich habe. Auch Deine Freude theile ich mit Dir über die Hoffnungen mit denen Du in Deine Zukunft siehst, gebe Gott, daß sie bald in Erfüllung gehn; thue Du nur treulich das Deine, || und dann wollen wir das Wie und Wann Gott anheimstellen, er weiß am Beßten was uns frommt, und wird alles herrlich hinausführen. –

Dich, mein lieber Ernst, muß ich aber noch dringend bitten: übertreibe nicht das Nachtarbeiten. Was hast Du davon, wenn Du Deiner Gesundheit schadest, denke an Deine alte Mutter, die Dich gerne gesund und frisch sieht. –

Bei der Aussicht, daß || Dein Leben sich bald nach Deinen Wünschen gestalten möge, drängt sich mir die Mahnung auf, den Winter zu sorgen, daß Deine Wäsche etc nicht unorndlicha wird; und ich bitte Dich dringend mir zu Weihnachten einige Notizen darüber zu geben, wie Du alles wünschst. Sei so gut und mache mir einige kurze schriftliche Bemerkungen, die neuen Hemden, die Du zur Probe tragen sollst, habe ich mit verschiedenen Nummern zeichnen lassen, da kannst || Du beim Gebrauch immer auf meinen Zettel bei jeder Nummer kurz bemerken, was Dir recht oder nicht recht ist oder ob Du lieber die neuen Faltenhemden nach dem Muster der alten wolltest gemacht haben. Dann ob die neuen Unterhosen so recht sind oder ob dabei etwas zu erinnern ist? Entzweie Strümpfe oder zerrissene Wäsche bringe Weihnachten mit, damit ich es zurecht mache. ||

Endlich ist Häckel heute zum Schreiben an Dich gekommen, und wenn durch das lange Verschieben nun auch mein Zettel an Dich etwas alt geworden ist, so schicke ich ihn Dir doch, da es nicht angenehm wäre die Hemdengeschichte noch einmal zu schreiben. Heute früh bekamen wir ein Briefchen von Frau Professor Passow, die uns schreibt daß ihre alte Mutter gestern gestorben sei. Häckel ist eben bei ihr gewesen, Seebeck ist hier, und wohnt bei Kesselrings. – Gestern ist auch Dein zweiter Brief angekommen, ich freue mich, daß es Dir so gut geht. Gott gebe uns ein frohes Wiedersehn. – Anna ist heute zum ersten Male aus gewesen, ich fand sie heute Abend frisch und fröhlich. – Frau Professor Weiß ist nach Zeitz, wo heute die Hochzeit vom Pastor gefeiert wird. – Tante Bertha ist gestern nach Potsdam gefahren, kommt heute Abend oder morgen früh wieder. – Hoffentlich bringt sie bessere Nachricht mit. || Nun, mein lieber Herzens Ernst, sein noch aufs innigste gegrüßt von

Deiner

alten Mutter

a korr. aus: orndlich

 

Letter metadata

Recipient
Dating
09.11.1861
Place of origin
Country of origin
Possessing institution
EHA Jena
Signature
EHA Jena, A 36210
ID
36210