Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 5./6. Januar 1853

Berlin 5/1 53.

Mein lieber Herzens Sohn!

Tausend Dank für Deinen lieben Brief, den wir gestern früh erhielten; und der uns große Freude macht. Wie freue ich mich, daß Du nun einea bessere Wohnung hast; Deine frühere war mir gar nicht behaglich; ich wünsche nur, daß die jetzige Dir auch immer angenehmer wird; mir ist es schon sehr lieb, daß Du eine besondere Schlafkammer hast. Wie viel ich beim Wechsel des Jahrs an Dich gedacht habe, davon bist Du überzeugt. Ich habe Gott recht innig ge-||dankt für das Glück, das er mir in meinen Kindern gegeben, und ihn um seinen Seegen auch ferner gebeten, er muß ja zu allem Guten das Wollen und Vollbringen geben; und so möge er Dir auch beistehn, daß Du bei der Wahl Deines Berufes das Rechte findest; auf ihn und seinen Beistand wollen wir vertrauen, und mit frischem Muthe das unsere thun. –

Von unserm Ziegenrücker Pärchen haben wir auch Briefe ge-||habt, sie sind gesund und munter, haben unsere Weihnachtskiste, die ich zugleich mit der für Dich zur Eisenbahn brachte, noch immer nicht erhalten. –

Onkel Christian ist mit Bertha und Anna Sonntag Nachmittag nach Stettin gereist; Karl ist bis heute noch bei Julius Kindern geblieben. –

Wie Hermine mir schreibt, so hat sie für Dich eine Weihnachtsstolle gebacken, das hat Dir gewiß Freude gemacht. – – – ||

6/1. Tante Gertrude giebt heute einen Damenthee, und leider hat sie die Güte gehabt, mich dazu zu bitten, weit lieber spielte ich mit Vater und Bertha Tarock, doch ich muß hin und will nur noch schnell die paar freien Augenblicke benutzen, etwas mit Dir zu plaudern, es ist mir so als hätte ich in meinem vorigen Brief sovieles vergessen zu schreiben. Zunächst wollte ich Dich bitten, solche Fastenübungen, wie Du sie angestellt hast, zu unterlassen; zur Gesundheit gehört auch das man regelmässig lebt, also auch täglich || ißt und trinkt; kommt bei späteren Reisen es zu Zeiten der Noth, wo Du nicht so regelmässig leben kannst, dann wirst Du es auch zu entbehren wissen ohne jetzt schon Uebungen dazu zu machen; immer die goldene Mittelstraße. Bertha ist schon seit längerer Zeit immer viel leident, gestern hat sie sich müssen schröpfen lassen. Gestern Abend konnte ich auch nicht bei Vater sein, wir waren bei Grolmans, Häckel war vorher ein halbes Stündchen bei Bertha, und hatte Jonas bei ihr gefunden, das ist mir recht lieb, der wird || ihr wohl Trost zugesprochen haben, sie war in den letzten Tagen oft muthloos. – Ueber Deine Briefe freut sie sich immer mit uns herzlich. – Die Zeichnung, die Du uns von Humbolt gemacht hast, habe ich einrahmen lassen, sie hängt jetzt gegen Wildenau über. –

Freitag. Guten Morgen, mein lieber, alter Junge. Gestern Abend ließ Vater mich bald nach 8 Uhr aus dem Damenthee holen, weil Regenbrecht gekommen sei, er aß mit uns, erkundigte sich sehr nach Dir, und läßt Dich herzlich grüssen. || Sein künftiger Schwager ist doch noch Bürgermeister in Hirschberg geworden, worüber er sich sehr freut. –

Er kennt den Schlesier, den Du hast kennen lernen, sie haben sich vorig Jahr im Riesengebirge getroffen, und sind zusammen gereist. Haben wir im vorigen Mai den Kosmuß von Reimer vielleicht zwei mal genommen? Hast Du oder hat Karl vielleicht einen verschenkt? Bitte schreibe darüber; Diederich hat von den 2 auf der Rechnung stehenden nur eins bezahlt genommen; aber || es wäre mir doch sehr unangenehm, wenn wir doch zwei erhalten hätten. –

Wie hübsch ist es daß Du am Sylvester eine Prädigt gehört hast, überhaupt freut es mich, daß Du daß in Würzburg öfter kannst, ich hatte schon Sorge, daß dort gar keine evangelische Gemeinde sein mögte, und nun ist es grade so schön. –

Nun leb wohl, mein lieber Herzens Junge, Gott sei mit Dir. Halte dich gesund und munter, und denke fleissig an

Deine Mutter

a korr. aus: einen

 

Letter metadata

Recipient
Dating
06.01.1853
Place of origin
Country of origin
Possessing institution
EHA Jena
Signature
EHA Jena, A 36114
ID
36114