Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 7. 10. Mai 1853

Berlin 7/5 53

Mein lieber, lieber Ernst!

Als ich früh Hermine auf den Bahnhof gebracht hatte, fand ich als ich zurück kam, Deinen lieben, so sehnlichst erwartteten Brief. Hab herzlichen Dank mein lieber Junge für die Freude, die Du mir dadurch gemacht. Dein Brief sagt mir, das Du gutes Muthes bist, und dabei möge Dich Gott erhalten. Wie sehr freut es mich auch, daß Du die bothanische Parthie mitgemacht hast, bei dem nun zu erwarttenden Frühling || lebe nur ja auch recht in der Natur, geniesse die schöne Gegend, in der Du lebst. Aber warum kannst Du an dem Kränzchen, der jungen Männer, die Dir gefallen nicht Theilnehmen?? –

Wahrscheinlich hast Du aus Furcht sie würden es Dir abschlagen, nicht den Muth sie zu fragen; das ist unrecht, auf die Gefahr hin, mußt Du es wagen, Du hast dann das Deinige gethan. || Die Zeit, die Du mit ihnen leben kannst, vergeht so rasch, und dann ärgert es Dich, daß Du es nicht genossen hast.

Dienstag früh. Bis heute habe ich den Brief absichtlich liegen lassen, ich dachte heute Nachricht aus Ziegenrück zu erhalten, und wollte Dir gleich schreiben. Da dies aber nicht geschehen, und wir heute nach Potsdam fahren, so beeile ich mich, diese Zeilen noch schnell zu schliessen. ||

Tante Auguste und Tante Bertha haben mir die herzlichsten Grüsse an Dich aufgetragen, und letztere läßt Dir sagen: sie freue sich sehr von Dir gehört zu haben, daß man aus dem kranken Körper am besten den gesunden beurtheilen könne. Frau v. Massenbach ist Freitag gestorben, deshalb fahren wir heute nach Potsdam. Der große Familienkreis von Bassewitz ist sehr klein geworden. –||

+ Ueber Auctions Kataloge. Ein Beitrag zur botanischen Bücherkunde. Soll ich es aufheben oder gelegentlich schicken. – –

Morgen Nachmittag werde ich bei Richters Kindchen Gevatter stehen. –

Julchen Bessel war hier, und grüßt Dich herzlich. –

Wenn weitere Ausflüge gemacht werden, die für Dein Knie zu groß sind, so suche es doch so einzurichten, daß Du eine Strecke || fährst; und dann mit den Uebrigen zusammen triffst.

Wie ist es? hast Du Dir ein Klavier gemiethet? Daß Du wieder mit andern zusammen ißt, freut mich. Unsere Kleine hatte leider noch immer den schlimmen Finger. – Als sie noch hier war, sind wir zusammen einen Abend bei Onkel Julius und einen bei || Quinkes gewesen.

Nun mein Herzens Junge, muß ich schliessen. Gott behüte Dich, erhalte Dich gesund, und denke fleissig an Deine

Mutter,

die Tag und Nacht bei Dir ist, und sich freut, wenn Du gutes Muths bist. – –

 

Letter metadata

Recipient
Dating
10.05.1853
Place of origin
Country of origin
Possessing institution
EHA Jena
Signature
EHA Jena, A 36106
ID
36106