Haeckel, Karl

Karl Haeckel an Ernst Haeckel, Landsberg an der Warthe, 17. Dezember 1865

Landsberg a/W |17/12 65.

Lieber Ernst!

Es ist recht Unrecht von mir, daß ich es so lange verbummelt habe, Dir zu schreiben. Ich habe Dich schon lange bitten wollen, wenn es Dir paßt, auf Mutter’s Vorschlag einzugehen und das Weihnachtsfest bei uns zuzubringen. Ich würde es nicht thun, wenn ich nicht wüßte, daß die Aeltern es selber wünschen, damit Du grade zu dieser Zeit Dich mit uns, unsrer Kinderschaar und ihrer Weihnachtsfreude erfreust. Daß uns gleichzeitig Mutter Minnchen besucht weißt Du. Häuslich läßt es sich gleichwohl sehr leicht arrangiren und Du brauchst wegen des Unterkommens Dir keine Skrupel zu machen. Uns und den Kindern würdest Du durch Dein Kommen große Freude bereiten, was ich Dir wohl || nicht erst zu sagen brauche, altes Bruderherz.

Ich selber denke etwa den Freitag nach dem Feste auf 3 Tage nach Berlin zu gehen. Mimmi und die Kinder bleiben jedenfalls hier.

Der Tod von Barth ist Dir ebenso unerwartet wie uns gekommen. Mich frappirte die Nachricht um so mehr, als ich ihn noch bei Vaters Geburtstagsfest so munter gesehen hatte. Deinen Brief, den Du darüber an die Aeltern schriebst, haben wir ebenso wie die früheren gelesen. Ich finde es natürlich, daß Dir der zahlreiche Besuch Deiner öffentlichen Vorlesung Genugthuung gewährt. Doch darf man auf einen solchen Zulauf der Menge auch nicht zu viel geben, wie Du ja, wenn ich nicht irre, selbst bemerkst. Viel mehr hat mich gefreut, daß auch Dein Privatkolleg über Zoologie stark besucht ist. Mit Reimer habe ich gesprochen (wenigstens mit Ernst). Halte nur Wort und bringe das Manuscript || zu Weinachten fertig mit. Es kann dann das Buch bis Ostern fertig werden und erscheint dann noch zu gelegener Zeit. Weiter in den Sommer hinein ist die Zeit dazu weniger günstig.

Bei uns ist bisher alles den gewohnten Gang gegangen. Was ich jetzt an Zeit erübrige, verwende ich auf juristische Studien, die auch mal wieder an die Reihe müssen. Es thut Noth, das Gedächtniß wieder aufzufrischen u. unsre preußische landrechtliche Literatur hat im letzten Jahre grad einige neue Erzeugniße geliefert, die das Studium angenehm machen. Nun auf baldiges Wiedersehn, lieber Bruder. Wir packen heut einige kleine Weihnachtssendungen, zu denen ich noch schreiben muß. Mimmi grüßt mit mir.

In alter Liebe

Dein

Karl.

 

Letter metadata

Genre
Author
Recipient
Dating
17.12.1865
Place of origin
Possessing institution
EHA Jena
Signature
EHA Jena, A 34971
ID
34971