Ernst Haeckel an Richard Hertwig, Jena, 27. Juni 1914
Jena 27.6.1914.
Lieber Freund!
Ein eifriger Schüler von Ihnen, stud. med. Kurt Lange, bittet mich um eine besondere Empfehlung an Sie, da er bei Ihnen speziell arbeiten und zu promovieren wünscht. Ich kenne ihn als einen begabten und fleißigen, selbständig denkenden Naturforscher – jedoch nicht näher. Das Studium der Medizin will er aufgeben, um sich ganz der Zoologie zu widmen. Es wird gut sein, wenn Sie ihm die Schwierigkeiten dieser Karriere nahe legen, da er (– soviel ich weiß) kein Vermögen besitzt. Ich habe ihm vorgestellt, daß es sicherer ist, erst den ganzen Medizin-Kursus durchzumachen. Sein Vater ist Arzt in Leipzig. ||
Hier sind jetzt in der Philosophischen Facultät böse Schwierigkeiten wegen der Besetzung der „Ritter-Professur“, die Plate zu einer untergeordneten Assistenten-Stelle herabdrücken will. Da er in seiner gewohnten brutalen Arta alle Kollegen vor den Kopf stößt, wird er wohl nicht durchdringen. Außer den hiesigen Privat-Dozenten Hase und Schaxel (– der sich sehr gut macht) sind auch noch auswärtige Candidaten da (der beste wohl Ulrich Gerhardt in Breslau). Ich halte mich (– als Emeritus und 80. Greis!) von allen akademischen Geschäften fern. – Die Berufung von Meisenheimer nach Leipzig (– von Pfeffer und Korschelt betrieben –) hat hier sehr überrascht (besonders Plate, der sicher hoffte, Chuns Nachfolger zu werden!). Kükenthal hätte größere Ansprüche gehabt.
Mit besten Grüssen von Haus zu Haus
treulichst Ihr alter E. Haeckel.
a eingef.: Art