Dodel-Port, Arnold

Arnold Dodel-Port an Ernst Haeckel, Zürich, 9. März 1885

Zürich, 9. März 1885

Herrn Prof. Dr. Ernst Haeckel an d. Universität Jena.

Hochgeehrtester Herr College!

Vor allem aus [!] meinen herzlichsten Dank für die so opferwillige und freundschaftlich-prompte Durchsicht des Correspondenz-Manuscriptes zum Deublerbuch! Große Freude hat mir noch ganz besonders die Zusendung weiterer 4 Briefe aus Deublers Hand gemacht. In der That sind dies noch recht werthvolle Schriftstücke, ganz dramatisch schön ist namentlich der große Brief über die Münchener Naturforscher-Versammlung, den ich vor drei Wochen schmerzlich vermißte. Ich habe nun alle noch vorhandenen Briefe zwischen Ihnen & Deubler copirt und sie werden mit unbedeutenden Abkürzungen als completes Ganzes publicirt werden, 50 Schriftstücke an Zahl. Daß Sie selbst gefunden, es dürften diese & jene „delikate“ Punkte im Briefwechsel stehen bleiben, indem diese und jene Hiebe ganz wohl am Platz seien – das freut mich. Gewiß ist der famose Karl Grün ein Gauner gewesen; andere Briefe sagen dasselbe. Und den Berlinern mit den 7Welträthseln gehört auch das freie Zeugniß von freien Männern. Was Sie gestrichen haben, das bleibt gestrichen. Ueber Virchow wird dereinst die Geschichte richten: was er als Forscher Großes gethan, wird ihm Niemand bestreiten; was er aber als Politiker & verkappter Reactionär verschuldet – das kann er nie verantworten. Uebrigens spielt ja in allen Dingen der Neid in den obern Regionen die größte Rolle; darüber weiß ich durch Wiener Studenten, wie aus eigener persönlicher Wahrnehmung z.B. auch manches von Ihrem Collegen Claus in Wien. Aber lassen Sie sich alle diese Nörgeleien & Feindschaften nicht zu nahe gehen: ich weiß aus Erfahrung, daß die Mehrzahl der Zoologie-Studierenden doch zu Ihnen hält, trotz Virchow, Claus u. Consorten. Den Würzburger Semper hat, wie ich höre, das Schicksal erreicht.

Es ist jetzt eine gar merkwürdige Zeit. Es freut mich, gerade in diesen trübseligen Tagen an einem Deubler zu zeigen, welche unbesiegbare Macht in der allmählig sich durchringenden Aufklärung liegt. In diesem Bilde sehen wir ein Stück herrlicher Zukunft, wo mit dem alten Unsinn aufgeräumt u. an dessen Stelle lebenswarme Erkenntniß, Wissenschaft & Kunst getreten sein wird. Deubler erscheint in seiner Art u. in seiner Stellung wie ein Prototyp für den Bürger und Bauera des 20. Jahrhunderts. Wir und unsere Freunde werden uns jederzeit an dieser herrlichen Gestalt erbauen und aufrichten, wenn uns gelegentlich der Muth sinken möchte.

Ich sende Ihnen hiemit recommandirt die 4 fraglichen Original-Briefe Deubler’s zurück, damit Sie dieselben den übrigen beilegen. (Ich selbst besitze solcher Briefe etwa 48 oder 50 u. ca. 20 Correspondenz-Carten. Das sind in der That reiche Schätze).

Wir treffen uns wohl gelegentlich auf unserem Lebenswege wieder persönlich. Behalten Sie mir Ihre Freundschaft und seien Sie versichert, daß ich allezeit zu Ihren wärmsten Verehrern zählen werde.

Mit den herzlichsten Grüßen auch von meiner lieben Frau

Ihr Dodel-Port.

a korr. aus Bauern

 

Letter metadata

Recipient
Dating
09.03.1885
Place of origin
Country of origin
Destination
Jena
Possessing institution
EHA Jena
Signature
EHA Jena, A 3244
ID
3244