Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Albert Niess, Jena, 30. Dezember 1885

VILLA HAECKEL.

JENA, DEN 30 Dec 85

Lieber Herr Niess!

Für Ihren freundlichen Weihnachts Gruß danke ich Ihnen herzlich, und nicht minder – zugleich im Namen meiner ganzen Familie! – für die herrliche Sendung von deliciösen Braunschweiger Würsten, welche bei „Alt und Jung“ den lebhaftesten Beifall gefunden haben! || Ich freue mich sehr zu hören, daß es Ihnen, Ihrer lieben Familie, und auch Ihrem Geschäft gut geht, und daß Sie zugleich durch Übernahme einer Anzahl Ehren-Ämter Gelegenheit haben, Ihre vorzüglichen Geistes-Gaben zum Besten der Menschen zu verwerthen! Ich wünsche, daß Sie auch im neuen Jahre die gleiche Zufriedenheit sich bewahren, und daß Ihre rastlose und vielseitige Thätigkeit alle Anerkennung findet! ||

Von mir kann ich Ihnen wenig Interessantes erzählen! Ich habe dies ganze Jahr ununterbrochen und ausschließlich an dem Riesen-Werk der Challenger-Radiolarien gearbeitet, deren Arten-Zahl nunmehr 4000 überschritten hat! Der erste große Quart-Band (111 Bogen) ist jetzt fertig gedruckt, und auch die Tafeln (140, mit über 2000 Figuren!) sind vollendet. Im neuen Jahre (dem zehnten der Arbeit!) hoffe ich endlich fertig zu werden. Anerkennung dieser großen Arbeit, als einer dauernden Grundlage, kommt etwa 1999! [!] || Außer beifolgendem halben Bogen habe ich dieses Jahr Nichts publicirt! –

Im Übrigen geht es mir gut. Meine Frau, die längere Zeit krank war, ist wieder hergestellt. Das stille Leben im eigenen Hause (– das Sie mir hier besonders empfahlen! –) behagt uns sehr; wir leben fast zu still! Die Kinder entwickeln sich gut.

Ich selbst werde alt und grau, wie Sie aus beifolgender letzter Photographie sehen!

– Mit freundlichen Grüßen und besten Wünschen

Ihr treu ergebener

Ernst Haeckel

 

Letter metadata

Recipient
Dating
30.12.1885
Place of origin
Country of origin
Possessing institution
Stadtarchiv Braunschweig
Signature
G IX 8: 11
ID
31938