Ernst Haeckel an Albert Niess, Jena, 5. Juni 1878
Jena, 5/6 a 1878.
Lieber Freund!
Den herzlichsten Dank von mir und meiner Frau für die prachtvolle Spargelsendung, die wir gestern Abend von Ihnen empfingen, und die theilweise schon heute unsern Mittagstisch durch eine ganz ungewohnte Delicatesse verherrlichte! Ich sehe daraus zu meiner Freude, daß Sie mir Ihre freundschaftliche Gesinnung bewahren, trotzdem die Arbeitsüberhäufung mich leider so selten zum Schreiben kommen läßt. ||
Ihre hübsche Familien-Photographie, die uns sehr erfreut hat, und für die ich hiermit nachträglich meinen herzlichen Dank sage, traf Anfang März hier ein, nachdem ich wenige Tage zuvor abgereist war. Ich hielt erst einige Vorträge, in Cöln, Frankfurt a/M und Wien, ging dann nach Triest, Venedig, Pola und Fiume, um dort zu fischen und meine Medusen Untersuchungen fortzusetzen, resp. zu beendigen. || Ende April kehrte ich zurück. Ich fand ziemlich viel Neues und kann mit dem Resultat der Reise zufrieden sein. Doch werde ich wahrscheinlich zum völligen Abschluß der Arbeit Anfang August nochmals ans Meer fahren müssen (nach Helgoland?). Meine Frau wird mit den Kindern, die im Frühjahr an Diphtheritis theilweise recht krank waren und der Erholung bedürfen, Anfang Juli eine Badereise antreten; wohin? ist noch nicht bestimmt. || Außer der Medusen Arbeit beschäftigen mich jetzt vor Allem die Radiolarien des Challenger. Daneben laufen kleinere Arbeiten noch nebenher, wie das beifolgende „Protistenreich“, für das ich um freundliche Aufnahme bitte.
Mit herzlichsten Grüßen von Haus zu Haus und mit wiederholtem Danke
Ihr treu ergebener
E. Haeckel
a gestr.: Mai Juni