Ernst Haeckel an Herman George Scheffauer, Jena, 3. Oktober 1909
Jena, 3. Oktober 1909.
Liebe Freund Scheffauer!
Soeben von meiner Erholungsreise in die Schweiz zurückgekehrt fand ich hier Ihren freundlichen Brief vom 12. September vor, sowie Ihren Artikel: „Haeckel, A Colossus of Science.“ Natürlich habe ich mich über Ihre Apotheose meiner anthropoiden Persönlichkeit sehr gefreut und danke Ihnen recht herzlich für Ihre warme freundschaftliche Verehrung. Nur fürchte ich, dass Sie in Ihrer poetischen Begeisterung für unsere gute Sache – für die drei monistischen Gottheiten des „Wahren, Guten, Schönen“ –mich als deren bescheidenen Priester in zu schönen und hellen Farben gemalt haben. Freilich sorgen auch meine klerikalen und dualistischen Feinde dafür, dass die dunklen Schattenseiten daneben recht hervortreten.
Hiervon abgesehen, wüsste ich an Ihren Artikel Nichts zu ändern und würde Ihnen dankbar sein, wenn Sie mir nach erfolgter Publikation einige Abdrücke zusenden wollten.
Wahrscheinlich wird auch einer meiner Schüler, Dr. W. Breitenbach (in Brackwede,
Westfalen) den Wunsch haben, eine deutsche Übersetzung Ihres Artikels in seiner Zeitschrift: „Neue Weltanschauung“ (Stuttgart) aufzunehmen, falls Sie dies gestatten.
Dass Sie Ihre neue Dichtung: „The Epik of the Elemento“ mir widmen wollen, gereicht mir zu besonderen Ehre; ich nehme diese Dedication von einem so genialen und für die Wahrheit begeisterten Dichter mit herzlichstem Danke an! ||
Meine 4 wöchentliche Schweizer Reise (nach Luzern und in das Berner Oberland, Scheidegg, Jungfrau) war von schönem Wetter begünstigt und hat mich sehr erfrischt. Ich habe in diesen 4 Wochen 32 AquarellSkizzen gemalt: Pilatus, Jungfrau etc. Besonders schön waren 8 Tage an dem stillen Brienzer See, in dem idyllischen „Joettwald“ (Hotel du Lac, trefflich), ein „Schatz-kästlein für Maler und Poeten“ – dass ich Ihnen zum Besuch besonders empfehle.
Jetzt beginne ich meine Winter Arbeit, eine neue (VI.) Auflage der „Anthropogenie.“
Falls Sie noch etwas von meinen Publikationen zu besitzen wünschen , bitte ich es mir mitzuteilen.
Mit freundlichen Grüssen und wiederholtem bester Danke Ihr treu ergebener
Ernst Haeckel.