Ernst Haeckel an Wilhelmine Hintze, Jena, 20. Dezember 1909
Zoologisches Klostera
der Universität Jena.
Jena 20.12.09.
Liebe und verehrte Freundin!
Für die herrliche wollene Decke, mit der Sie mich heute auf das Angenehmste überrascht haben, sage ich Ihnen meinen herzlichsten Dank! Wieviel Liebe und Mühe ist da auf’s Sorgsamste hineingearbeitet! Ich kann diesen behaglichen Wärmehalter sehr gut brauchen, da ich mit zunehmenden Alter immer frostiger werde! Die schöne grüne Decke, mit der Sie mich vor einigen Jahren erfreuten, gebrauche ich noch täglich, wenn ich Nachmittags und Abends auf dem Sopha ruhe – dankbarst der lieben Spenderin gedenkend! ||
Mit Freuden erfahre ich aus Ihrem lieben Briefe, daß es Ihrem lieben Manne besser geht, und daß er sich in zuverlässiger ärztlicher Behandlung befindet. Ich wünsche von Herzen, daß Sie bald außer aller Sorge sind! Geduld ist freilich bei der Heilung eines Magengeschwüres erforderlich, und lange nachher noch sorgfältige Diät; und besonders Enthaltung von schweren und fetten Fleischspeisen. In Ihrem opulenten Hamburg wird solche Abstinenz schwieriger sein, als anderswo; – besonders in unserem lieben Jena, wo schon die einfache Küche des Restaurants auf dem Weimar-Geraer Bahnhof für luxuriös gilt! ||
Die treffliche Wirtin des letzteren, Frau Mosbach, die Sie ja auch kennen, ist vor 14 Tagen gestorben, an Diabetes.
Meine Gesundheit ist jetzt ziemlich befriedigend, obgleich ich die langsame Abnahme der Kräfte – mit bald 76 Jahren! – deutlich verspüre. Auch meiner Frau geht es jetzt erträglich, obwohl ihr vieljähriges Nerven- und Herz-Leiden keine Hoffnung auf Genesung läßt.
Die Weihnachtstage (vom 23.–28.) werde ich bei meinen Kindern in Leipzig verleben (Prof. Meyer).
Mit freundlichsten Grüßen und besten Wünschen
Ihr treu ergebener
Ernst Haeckel.
a gestr.: Institut; handschriftl. eingef.: Kloster