Krauseneck, Gustav Adolf

Gustav Adolf Krauseneck an Ernst Haeckel, Triest, 19. Dezember 1898

Triest, am 19. Decemb. 1898

Hochverehrter Freund!

Bevor das Jahr zu Ende geht, kann ich es nicht unterlassen, Ihnen meine, unser Aller herzlichste Grüße und Wünsche zum Feste und zum neuen Jahr, dem letzten unsres doch ganz guten alten Jahrhunderts, zu senden, vor allem aber Ihnen für Ihre so erfreulichen & zugleich recht schmerzlichen Zeilen aus Baden-Baden zu danken. Es ist uns Allen wahrhaft schwer geworden zu erfahren, daß Sie einen Besuch in Klobenstein vorhatten und durch Ihr Unwohlsein an der Ausführung dieses Planes gehindert wurden. Es wäre zu schön, wenn das kommende Jahr die Erfüllung dieses oder doch eines ähnlichen Vorhabens brächte. Ich würde, wenn es nur irgend möglich, überall hinkommen, || wo Sie in der Alpengegend wären und brauche ich Sie kaum zu versichern, welche Freude es wäre, wenn auch für kurze Zeit, Ihre Gesellschaft genießen zu können. – Über Ihre Ehrungen in Cambridge haben wir in der uns durch englische Freunde damit zugänglichen Times gelesen und uns ungemein darüber gefreut. Mit dem größten Interesse aber las ich in der „Deutschen Rundschau“ Ihren herrlichen Vortrag „Über unsere gegenwärtige Kenntniß vom Ursprung des Menschen“ und ich kann nur immer wieder sagen, daß es eigentlich unfaßlich ist, daß die allerneueste Wißenschaft immer wieder Zweifel an diesen Wahrheiten zur Diskussion zu stellen bestrebt ist. Man kann darin, wie in so vielen Dingen, nur den Rückschlag sehen, der nach einer großen Epoche sich geltend macht, bevor die unbedingte Anerkennung der gewonnenen Erfolge durchdringt. Ich hoffe, daß Ihnen || diese Zweifel an der Wahrheit Alles dessen, was Sie aufzubauen so meisterhaft mitgeholfen haben, keine schweren Stunden bereiten und noch weniger die alte Arbeitslust nehmen werden. Die Besten stehen ja doch zu Ihnen und der liebe Neid ist auch in den größten Dingen ein sehr wesentlicher Faktor. – Sie haben gewiß das herrliche Buch mit Bismarcks Erinnerungen schon durchgesehen. Ist es nicht unglaublich, daß er seiner Umgebung oft geradezu Schlachten liefern mußte, um das Große thun zu können, an dem dann hinterher Alle mitgeholfen haben wollen? Es scheint mir dieses Buch wohl ein Vermächtniß, wie kein Volk es einem seiner Führer zu danken hat und es scheint mir sehr traurig, daß dieses liebe Volk im Besitze desselben kaum aufsieht von seiner Alltagsbeschäftigung. Auch zu seinem Glücke muß das Pack gezwungen werden!

Von unsrem öffentlichen Wirr-warr will ich || heute schweigen; es sieht völlig trostlos aus bei uns und Sie haben ganz recht damit, daß wir nur mehr durch vis inertiae existiren oder doch coexistiren.

Nun wünsche ich Ihnen aber, daß Baden Sie von Ihrem Rheumatismus gründlich geheilt habe und bitte Sie, uns wieder einmal Gutes von Ihnen und Ihren verehrten Anhängern zu sagen. Bei uns geht es gut. Meine Mutter ist sehr alt geworden, aber immerhin noch fähig Freude am Leben zu haben. Valentine & meine Frau sind wohlauf und wir Alle gedenken oft in treuer Freundschaft Ihrer und der schönen, die Sie vor Jahren bei uns verbracht. Wolle 1899 uns solche in neuer Auflage bringen und wolle es für Sie ein Glückliches Jahr werden!

In treuer Verehrung & Freundschaft

Ihr innigst ergebener

Gust. Krauseneck

 

Letter metadata

Recipient
Dating
19.12.1898
Place of origin
Country of origin
Possessing institution
EHA Jena
Signature
EHA Jena, A 27797
ID
27797