Arnold Lang an Ernst Haeckel, Bern, 13. Juni 1878
Hochgeehrter Herr Professor!
Vorerst meinen herzlichsten Dank für die fr. Uebersendung Ihrer Schrift über die Kometenform der Seesterne.
Mein Aufenthalt in Neapel war für mich sehr lohnend. Ich habe die Anatomie und Histologie der dortigen dendrocoelen Strudelwürmer bearbeitet und Neues gefunden. Eigenthümlich ist in Sonderheit des peripherische Nervensystem, das im ganzen Körper ein zierliches Netzwerk darstellt. Metschnikoff’s Behauptung dass der Darm des Turb. einen einfachen unzelligen Eiweissstrang darstelle, konnte ich durch eine Reihe von Praeparaten als völlig irrig nachweisen. Das schönste Cylinderepithel! Durch eine neue Conservirungs- || fertigkeit gelang es mir, die so zarten Physarozoen und Proceros wie lebend zu conserviren und ihre histologische Structur völlig intakt zu erhalten. Die Behauptung der Verwandschaft zwischen Infusorien und Turbellarien wird wol nach Veröffentlichung meiner Arbeit Niemand mehr aufrecht erhalten wollen.
Ich übersende Ihnen heute einen kleinen Aufsatz über die Dotterfurchung von Balanus mit 2 Tafeln. Es würde mich freuen, wenn Sie denselben für der Aufnahme in der Jenaischen Zeitschrift würdig erachten würden. Die Abhandlung über die Bildung des Stieles bei Lepas habe ich nicht gesandt, weil ich hoffte, in Neapel verificiren zu können, was nicht möglich war. In 3–4 Monaten hoffe ich meine grössere Arbeit über die Strudelwürmer veröffentlichen zu können. Was ich nachher anfangen werde, ist unbestimmt. Ich werde wol, da mein Vater in Folge der Geschäftskrisis nicht mehr || gut in der Lage ist, mich zu unterstützen, meine Stellung zu verändern gezwungen sein. Ob ich dann noch Untersuchungen anstellen kann, ist zweifelhaft und dies macht mir viel Kummer.
Kommen Sie vielleicht im August an die Versammlung schweizerischer Naturforscher?
Empfangen Sie, Herr Professor, die Versicherung meiner unverbrüchlichen
Hochachtung und Verehrung
Dr Arnold Lang.
Bern 13ten Juni 1878.