Meta Lilienthal-Stern an Ernst Haeckel, Tannersville, 17. August 1910
August 17, 1910.
Professor Ernst Haeckel;
Hochverehrter Freund und Lehrer!
Sie wissen kaum von meinem Vorhandensein und doch gestatte ich mir Sie so anzureden, da die große Verehrung und Bewunderung meiner Eltern für Sie, mir schon seit meiner Kindheit das Empfinden giebt als ob Sie uns persönlich nahe ständen. Darum betrachte ich es auch als meine Pflicht Ihnen mit zu theilen, daß mein geliebeter Vater nicht mehr unter den Lebenden ist, und || Ihnen einliegenden Zeitungsausschnitt zu schicken, der Ihnen von seinem Leben und Wirken berichten wird.
Mein Vater hat fast bis zur letzten Stunde seine geistigen Fähigkeiten ungetrübt bewahrt, und sah als Arzt und Monist dem Tode ruhig und philosophisch entgegen. Einige Ihrer Schriften, die Sie ihm persönlich zugesandt hatten, war das Letzte das er noch mit Interesse gelesen hat.
Den Schmerz meiner armen Mutter, die mit ihrem Mann ein und fünfzig Jahre lang in ungetrübt glücklicher Ehe lebte, werden Sie aus eigener Lebenserfahrung ermessen können. Aber vielleicht || gereicht es Ihnen zur Genugthuung wenn ich Ihnen erzähle, daß auch die arme Verlassene einen Trost und eine Stütze in ihrer monistischen Weltanschauung findet; vielleicht einen größeren Trost und eine bessere Stütze, als mancher Gläubige in seiner Religion.
Ihnen von Herzen noch recht, recht lange Wirksamkeit zum Wohle der Menschheit wünschend, grüße ich Sie als eine der Zahllosen die Ihnen zu Dank verpflichtet sind.
Ihre Meta Lilienthal-Stern.