Rautenfeld, Paul von

Paul von Rautenfeld an Ernst Haeckel, Neapel, 22. November 1907

Neapel, d. 22ten November 1907

Hochgeehrter Herr Professor.

Ich statte Ihnen hiermit meinen ergebensten Dank ab für Ihren Brief vom 19ten dieses Monats, in welchem Sie in so überaus liebenswürdiger Weise auf meine dem von Ihnen begründeten „Phyletischen Museum“ in Jena dedizierte Sammlung von japanischen Seetieren Bezug nehmen. Durch die Auszeichnung, welche Sie || und Herr Geheimrat Eggeling für mich bei der Großherzoglich Sächsischen Regierung gütigst zu erwirken die Absicht haben, würde mir natürlich eine hohe Ehre erwiesen werden und sie würde gewiß auch mir in meiner amtlichen Thätigkeit von Nutzen sein, wenngleich es mir nie in den Sinn kam eine solche zu erwerben. Durch mein Geschenk beabsichtigte ich einzig und allein Ihnen, hochgeehrter Herr Professor, eine kleine Freude zu bereiten und mich Ihnen für das Viele und Große, das ich Ihnen verdanke, durch bescheidene Förderung || der mich über alles interessierenden Biologie erkenntlich zu erweisen. Ich hoffe, daß Sie mir auch fernerhin gestatten werden obige Sammlung aus der faunistisch wohl einzig dastehenden Sagami-Bucht im Laufe der Jahre zu ergänzen, damit sie immer vollständiger werde. Meine persönliche Bekanntschaft mit Professor Djima und Herrn Alan Owston in Japan dürfte mir dabei auch in Zukunft von Nutzen sein.

Ich füge Ihrem freundlichen Wunsche gemäß ein kurzes Curriculum vitae von mir diesem Briefe bei, doch || konnte ich die Jahreszahlen bloß aus dem Gedächtnis niederschreiben.

Es hat mich sehr interessiert zu hören, daß der Name meiner hiesigen Pension in der Geschichte Ihres Lebens eine so bedeutsame Rolle gespielt hat, und auch, daß in diesem Hotel Herr Professor Leonhard Schultze, welchem ich soeben geschrieben habe, vor zehn Jahren auch gelebt hat.

Ich danke Ihnen auch sehr für die wertvollen Angaben für Messina. Herr Geheimrat Dohrn hat mir gleichfalls geraten in der || dortigen Meeresstraße das reiche Plankton kennen zu lernen und so will ich dann Mitte Januar auf kurze Zeit mich dorthin begeben. Aus Messina zurückgekehrt reise ich gleich mit meiner Mutter über Livorno auf etwa zwei Monate nach Ajaccio.

Sehr verbunden bin ich Ihnen auch für Ihr gütiges Anerbieten mir Bücher etc. senden zu wollen, doch haben Ihre einflußreichen Empfehlungsschreiben mir Tor und Tür der Zoologischen Station zu Neapel geöffnet, so daß mir in derselben alles Nötige zur Verfügung gestellt worden ist.

Als ich Ihren liebenswürdigen || Brief heute vormittag erhielt, war ich eben von einer meiner regelmäßigen Bootfahrten im Golfe von Neapel mit den geschulten Sammlern der Station heimgekehrt. Meine Beute bestand aus herrlichen Planktontieren, welche ich in der Mehrzahl früher in China nie zu Gesicht bekommen hatte, wie Forskalia (!), Hippopodius, Pelagia, Carmarina, Cotylorhiza, Eucharis, Cestus Veneris, Pyrosome, verschiedene koloniebildende Polycytharien etc. etc. Und gestern unternahm ich bei schönstem Wetter mit Herrn Dr Lo Bianco und mehreren anderen Gelehrten der || Station eine Fahrt auf dem „Johannes Müller“ nach Baja. Wir dredschten viele interessante Aquariumtiere, auch den berühmten Olynthus, und auf unserem Rückwege harpunierten wir sogar Delphine.

Mit nochmaligem herzlichen Dank für Ihr so sehr gütiges Schreiben und mit meiner besten Empfehlung an Ihre hochgeehrte Frau Gemahlin verbleibe ich in aufrichtigster Verehrung

Ihr Ihnen hochachtungsvoll ergebener

P. von Rautenfeld

 

Letter metadata

Recipient
Dating
22.11.1907
Place of origin
Country of origin
Possessing institution
EHA Jena
Signature
A 22300
ID
22300