Richthofen, Ferdinand Freiherr von

Ferdinand von Richthofen an Ernst Haeckel, Trient, 29. Mai 1856 / Seis, 23. Juni 1856

Trient den 29.t Mai 1856.

Mein lieber guter Ernst!

Wenn jemals ein Mensch Floskeln erfunden hat, die kräftig genug sind, das siebenwöchentliche Stillschweigen eines Freundes vollkommen zu entschuldigen, so denke Dir diese über meinem Briefe stehend da, wo der unendliche Raum über seinem obersten Rande anfängt; denn sicher müßten solche Entschuldigungen unendlich sein. Daher beginne ich mit den herzlichsten Glückwünschen für den „königl. bayr. Assist. an der patholog. Anatom. Anstalt zu Würzburg mit 150 florin Jahresgehalt“. Zwar ist die Sache nicht mehr ganz neu; auch hatte ich gehofft, Du würdest das Examen nicht bestehen; doch a es ist anders geschehen, ich muß mich fügen und gratuliren. Du lernst nun Pathologie und Anatomie ex fundamento und ich sitze hier in Trient im Gasthofe all’Europa und denke an meine lieben fernen Freunde und Angehörigen. Wie gern möchte ich Einen von Euch b bei mir haben; wie schön wäre es, wenn wir hier gemeinschaftlich durch die engen, heißen, hochummauerten Wege über die üppigen Weinberge hinaus auf die luftigen Höhen der Berge steigen könnten. Doch ich Armseliger kann nicht einmal allein hinaufgehen, sondern muß mich mit dem Ansehen von unten begnügen. Ich bin nämlich hier vor fünf Tagen angekommen und machte c in den beiden ersten Tagen so bedeutende Ausflüge in der heißen ungesunden und ungewohnten Fieberluft, in die ich plötzlich versetzt worden, daß ich seitdem matt und hinfällig bin, wie meine armen Käfer, wenn sie zwei Tage in der Flasche gehungert haben. Gestern und vorgestern habe ich blos geschlafen und mich gelangweilt; heut geht es schon besser. Das Schlimmste ist, daß ich auch moralisch d || nicht ganz auf dem Damme bin. Ich habe nämlich in Wien und auf der Reise hieher so flott gelebt, daß ich mit meinem Geld früher zu Ende war als ich berechnet hatte; nun warte ich von Tag zu Tag auf Karten und Geld, kann aber keins von beiden vor vier Tagen erwarten. So bin ich gebunden, während ich hoffte, mich der Freiheit freuen zu können. Hätte ich Dich nur hier, damit e Du mir mit Deiner pathologischen Anatomie die Grillen aus dem Kopfe schlagen könntest. Doch leider sind noch keine Telegraphen zum Reiten eingerichtet und so muß ich denn selbst versuchen, mich für einen Augenblick der Thierchen zu entschlagen, die nicht aufhören wollen, in meinem Kopfe zu zirpen.

Seiss den 23.6.

Noch einmal möchte ich die ersten Zeilen dieses Briefes abschreiben; ich verdamme mich selbst, auf der Reise so entsetzlich schreibefaul zu sein. In Trient konnte ich unmöglich weiter schreiben. Ich war in einer so höchst melancholischen trübseligen Stimmung wegen meines Nichtsthuns, fühlte mich entsetzlich einsam f und hatte nicht die geringste Lust mich den abschließenden Italienern anzuschließen. g Als ich endlich am 4. Juni Geld erhielt, das durch Schuld der Post sehr lange unterwegs gewesen war, da schlug ich, wie dies bei mir so oft geschieht, ins Gegentheil um. Zwar hatte ich die ersehnten Karten des südlicheren Theils meines Gebiets nicht bekommen und mußte meinen Plan, dort anzufangen, aufgeben; doch besaß ich sie von einem kleinen Theil des übrigen Gebiets und in diesem machte ich nun die kühnsten Pläne. Am Abend erhielt ich das Geld und schon am nächsten Mittag saß ich mit einem ganz neuen Plan auf dem Stellwagen nach Botzen. Dort blieb ich einen Tag; die frohe Aussicht, bald auf den Höhen der Seißer Alpen zu sein, dort || zu forschen und zu arbeiten, ließ mir keine Ruhe, die Vollendung meines Briefes wäre mir dort unmöglich gewesen. Seitdem habe ich meist in Sennhütten gelebt.

Ich habe Dich nun schon mitten hineingeführt in mein Gebiet und h in diesen wenigen Zeilen spiegeln sich schon die verschiedensten Stimmungen, in die man auf einer Reise versetzt wird. Doch habe ich Dir noch i wederj meinen Plan mitgetheilt, noch den Weg, den ich seit unsrer Trennung auf demk Berliner Bahnhofe verfolgt habe; daher will ich nun systematischer fortfahren. Ich fuhr mit Claparède zuerst nach Dresden, wo wir bei einer sehr netten mir nah verwandten Familie l mit einer sehr liebenswürdigen Cousine zwei m genußreiche Tage zubrachten. Nach zweitägigem Aufenthalt in Breslau fuhren wir zu meinen Eltern. Dort waren wir 14 Tage, herrliche, gemüthliche, lange nachwirkende Tage; dann mussten wir uns trennen, wie wir hofften, auf n kurze Zeit; doch wird sie wol sehr lang werden. Am 29t April fuhr ich nach Wien. In den 12 Tagen meines dortigen Aufenthalts hatte ich meinen Plan für diesen Sommer zu entwerfen und meinen Lebensplan für die nächsten Jahre. Ich habe vorläufig beschlossen, einige Jahre in Oesterreich zu bleiben. Die geologische Reichs-Anstalt ist ein so ausgezeichnetes Institut, daß ich nirgends bessere Gelegenheit zu meiner Ausbildung haben kann. Ihr will ich mich anschließen und einige Jahre hindurch meine Kräfte widmen. In Wien ist ein jugendlich aufblühendes wissenschaftliches Leben und jugendliche Kräfte können nirgends besser als dort ein Feld zu ihrer Thätigkeit finden. Es sind dort in der jüngsten Zeit neben der geolog. Reichs Anstalt noch eine geographische Gesellschaft und ein zoologisch-botanischer Verein entstanden, Alles in Händen junger Leute, wenngleich unter der nominellen Leitung bejahrter Mitglieder der Akademie. Die Sitzungen letzterer sind sämmtlich öffentlich und Jeder kann dort Abhandlungen vortragen. || Alle diese Vereine sind ein Werk von Haidinger. Meinen Plan für diesen Sommer behielt ich in der Weise bei, wie ich ihn in der letzten Zeit meines Aufenthalts in Berlin gestaltet hatte. Es ist ein glücklicher Zufall, daß er sich den Arbeiten der Wiener Geologen anschließt, welche in diesem Sommer die venetianischen und Lombardischen Alpen bereisen. Mein Gebiet ist das südöstliche Tyrol, westlich bis zur Etsch und Eisack, nördlich bis zur Rienz, östlich bis Ampezzo und der Tyroler Grenze, südlich bis Trient und Val Lugana. Es umfaßt also die geognostisch berühmtesten Gegenden. So weit machte ich meinen Plan in Wien und bereitete mich zu seiner Ausführung vor. Am zweiten Pfingstfeiertag den 12t Mai verließ ich Wien um über Linz den Salzburger Alpen zuzueilen. Herr Ehrlich empfing mich mit ungemeiner Freundlichkeit. Er überhäufte mich mit Separatabdrücken, zeigte mir das Museum und machte mit mir eine äußerst interessante Excursion nach dem [Textauslassung] Berge, worauf die Wallfahrtskirche steht. Selten habe ich eine geognostisch so interessante durch Hrn Ehrlich’s vielfache Aufschlüsse belehrende und dabei so überaus schöne und hoffnungsreiche Aussicht gehabt. An einem heiteren Maitage begrüßte ich in den Alpen meine alten Bekannten, den Traunstein und Ischl. Es war mir unmöglich, auf der Straße nach Salzburg zu eilen. Anstatt Meiner machte der langweilige Koffer den langweiligen Weg; ich selbst aber schwelgte fünf Tage im Genuß der herrlichsten großartigsten Alpennatur. Fünf Jahre war ich hier nicht o gewesen; seit acht Jahren begrüßte ich zum ersten Male wieder Hallstadt und viele der alten Freunde, die ich jetzt mit ganz anderen Augen betrachtete, als damals, wo ich zum ersten Mal die Alpen kennen lernte. Damals überwältigte mich die Großartigkeit dessen was ich sah; ich beugte mich ehrfurchtsvoll vor dieser unendlichen Erhabenheit und kehrte mit einer Fülle p gewaltiger Eindrücke zurück. Die Geschichte || dessen was ich sah, erschien mir als ein unlösbares Räthsel. Jetzt war mir alles weit klarer und ich hatte einen ungleich größeren Genuß. Ich wurde von dem Großartigen nicht mehr überwältigt, sondern konnte es genießen. Die fünf Tage meiner Wanderung von Ischl über Aussee, Hallstadt nach Salzburg werden mir unvergeßlich bleiben. Nachdem ich ein Jahr hindurch Sklave gewesen war und noch weit länger nicht mehr gewandert war, fühlte ich mich nun im vollsten Bewusstsein meiner Freiheit. Ich fühlte mich bei dem biederen deutschen Alpenvolk so heimisch und so überaus wohl, q wie ich sonst nur im Kreise der Meinigen oder mit treuen Freunden sein kann. Ich wanderte allein; aber ich fühlte mich nie einsam. Jeder Berg, jeder See redete Mehr zu mir, als der gesprächigste Begleiter hätte thun können; es knüpften sich an sie Erinnerungen aus alten Zeiten, Erinnerungen sehr eigenthümlicher Art, wie Du Dir nach dem Bilde, welches ich Dir flüchtig von meiner ersten Reise mit Grimm entwarf, wol wirst denken können. Vieles schien mir verändert; doch eigentlich war ich es, der sich verändert hatte und der jetzt Alles anders sah, als damals. Den Grundlsee bei Aussee hatte ich früher noch nie gesehen; er hat einen r unauslöschlichen Eindruck auf mich gemacht. Ich erinnere mich nicht genau, ob Du ihn gesehen hast. Schaubach’s Beschreibung dieses zu süßer Melancholie erweckenden Sees ist vortrefflich. Für dieses Buch danke ich Dir vielmals; Du hast mir dadurch einen großen Dienst erwiesen.

Allzufrüh mußte ich mich von meinem geliebten Salzkammergut trennen, wo ich gern noch lange geweilt hätte. Ich eilte nach Innsbruck, wo ich mich Einen Tag aufhielt und von dort nach Trient. Du weißt, wie traurig es mir dort erging. Ich werde von der geologischen Reichs Anstalt mit Kopien der Aufnahmskarten des österr. General Quartier Meister Stabs unterstützt (im Maßstab von 1:24000). Sie sind || nicht veröffentlicht und werden den Mitgliedern der Reichs-Anstalt nur als Geheimniß anvertraut, da sie nur für militairische Zwecke s verfertig sind. Diese Karten fehlten mir noch von der nächsten Gegend von Trient. Von ca. 25 Blättern meines Gebiets (jedes 20" lang 14" hoch) besaß ich erst acht. Zu weiteren Ausflügen hatte ich kein Geld und Trient ganz zu verlassen war t nicht möglich, da ich mich an mein Gasthaus festgeschraubt hatte. So machte ich drei kleine Excursionen in der Umgegend. Sie waren nicht uninteressant, aber äußerst beschwerlich, da eine seit Jahren unerhörte Hitze herrschte; die größte Excursion machte ich bei 26° R. und u auf den Kalkfelsen bei Trient, zwischen den einförmigen Weinberg-Mauern wird solche Hitze noch bedeutend potenzirt. Die Unfähigkeit die kostbare Zeit zu benutzen, die entsetzliche Hitze, das fremde Volk, die fremde Sprache und manches Andere – wirkten auf mich so niederdrückend, daß ich mich selten in einer so miserablen Stimmung befunden habe. Dort hätte ich mir wol einen Freund gewünscht, ich fühlte mich einsam und verlassen. Nur Einmal wurde ich aus meiner düstern Niedergeschlagenheit heraus gerissen; ich erhielt nämlich die Nachricht von der Verlobung meiner ältesten Schwester mit einem Baron Malzan aus Meklenburg, die ich Dir hiermit ganz ergebenst mitzutheilen mich beehre. Diese Ueberraschung wirkte auf mich wie ein electrischer Schlag und ließ einige Zeit keinen andern Gedanken aufkommen. Die Karten blieben leider aus und ich habe siev noch heute w nicht erhalten; doch das Geld kam und nun konnte ich wenigstens einen neuen Plan machen. Ich hatte im Süden mit der Lösung meiner Aufgabe beginnen wollen, im Val Lugana und Primiero; ich beschloß nun, mit den Seißer Alpen anzufangen und freue mich über diese wesentliche Verbesserung meines Planes. Von ihr besaß ich eine Karte, leider faßt sie das Blatt nicht ganz; x an diese schließen sich drei Blätter || aus dem Enneberg. Ich fuhr sogleich nach Botzen, besuchte den Botaniker Baron Hansmann, einen sehr netten Mann, der mich auf seine Sommerfrische eingeladen hat und wanderte mit Sack und Pack nach Seiss, wo ich in dem einfachen Wirtshaus bei vortrefflichen Leuten mein vorläufiges Haupt-Standquartier aufgeschlagen habe. Von hier aus mache ich meine Excursionen und bin eben im Begriff, drei Wochen in’s Enneberg zu wandern. Seiss liegt an der äußersten Grenze meiner Karte, Castelruth ist schon nicht mehr darauf. – Lange Zeit habe ich gebraucht, um mich geognostisch mit einiger Vollständigkeit zu orientieren. Fast alle Gesteine und Formationen des südöstl. Tyrols sind hier auf kleinem Raum zusammengedrängt. Indem ich sie hier studire, sind sie mir an anderen Orten nicht mehr fremd und ich hoffe, mit um so größerer Schnelligkeit y in der Lösung meiner nicht geringen Aufgabe fortz schreiten zu können. Zehn Tage wohnte ich oben auf der Alpe beim Prosliner in Cipit, den ich Dir entschieden zum Ausgangspunkt anrathe, wenn Du Dich je längere Zeit auf der Seißer Alpe aufhalten solltest. Ich habe mich oben sehr wohl gefühlt, wanderte Viel herum und kenne die Alpe nach allen Richtungen. Auch auf dem sehr leicht zu besteigenden, äußerst interessanten Schlern bin ich gewesen. Die geognostischen Verhältnisse des Plateaus mit seinen Rändern sind nicht leicht, so prächtig die Aufschlüsse sind, die der Abfall nach allen Seiten hin gibt. Es stellen sich Räthsel dar, die man für unlösbar halten möchte. Zuweilen gibt dann eine geringfügige aa Beobachtung den Schlüssel zu den schwierigsten Problemen; doch können mich manche derselben zuweilen zur Verzweiflung bringen. Dann wandre ich manchmal unruhig umher und erwarte mit fieberhafter Ungeduld den Ausgang. Zuweilen begegne ich dann neuen Schwierigkeiten, Alles scheint gesetzlos durcheinander zu gehen, nirgends eine Einheit, nirgends eine Regel. || Versuche ich aber ein anderes Mal dieselbe Aufgabe, dann erscheint sie mir durch das, was ich inzwischen gesehen habe, so klar und einfach, daß ich nicht begreife, wie sie mir jemals unklar sein konnte. Durch vergleichende Untersuchung in so vielen verschiedenen Gegenden hoffe ich dahin zu kommen, daß mir nur Weniges unklar bleiben wird. Es findet sich hier Material zur Bearbeitung für ein Menschenalter; oft überwältigt mich die Fülle alles dessen, was zu beobachten und zu erforschen ist, wenn ich die Kürze der Zeit bedenke, die mir zu Gebote steht, überdies wenn sie durch Regenwetter so geschmälert wird, wie dies in der letzten Zeit der Fall war. Seit 10 Tagen ist fast täglich ein Gewitter oder gar ein langweiliger Nebelregen. Dadurch wird meine Zeit bedeutend reducirt und außerdem ist es auch nicht immer angenehm, naß zu werden. Oft versuchte ich, dem Regen zu trotzen; doch mußte ich seine Macht anerkennen und mich vor diesem großen Herrn beugen. Es ist eine schöne Seite meiner Wissenschaft, daß die Gegenden, ab welche ihrac die meisten und schwersten Probleme ad stellenae auch landschaftlich die schönsten und interessantesten sind. Dem Geognosten werden aber außerdem diese Reize noch erhöht, wenn er ihre Gründe sucht und die Entstehung und Geschichte erforscht. Wie überaus herrlich und großartig sind doch die Probleme der Geologie; keine andere Wissenschaft kann sich darin mit ihr messen, wenn man die Geologie umfassend betrachtet und nicht von so kleinlichem Standpunkte, wie es manche thun, die eine geognostische Karte wie die Zeichnungen auf einem bunten Taschentuch betrachten.

Wärst Du jetzt nicht königlich bayerischer Assistent, so könntest Du mir von August an ein Bischen Gesellschaft leisten; wie schön wäre es, wenn wir gemeinschaftlich arbeiten könnten. Zwar würden wohl nur wenige Excursionen unser gemeinsames Interesse vollständig in Anspruch nehmen; doch könnten wir uns manche einsame Abendstunde und manchen Regentag dadurch versüßen und nebenbei könnte ich durch die || Resultate Deiner Excursionen viel profitiren. Doch Du sitzest nun vertieft in die Pathologie und ich sollte eigentlich gar nicht wagen, Dich mit einem Briefe zu incommodiren. Denn wie Du schreibst bist du von früh 6 Uhr bis abends 8 Uhr bei Virchow beschäftigt. Wahrscheinlich isst Du dann um 8 Uhr Mittag, trinkst Deinen Kaffee, isst Abendbrot und gehst zu Bett. Dann bleibt Dir zum Briefelesen nicht viel Zeit. Botanik und Zoologie werden wohl aus Deinem Hirn in das äußerste Ende Deiner Zirbeldrüse sich zurückgezogen haben. Einige Gewächse und Schwämme oder Krebse und Polypen finden vielleicht noch Gnade. Doch Alles Andere wird wol im Spiritus sitzen oder vielmehr aus Deinem Spiritus herausgesetzt sein und wenn es sich regen will, mit einer Dosis pathologischem Insectenpulver zur [Ru]he verwiesen werden. Du hoffst, daß Dir dieser [Som]mer nicht nur in wissenschaftlicher, sondern [in al]lgemein menschlicher Beziehung von besonderem [Nu]tzen sein werde. Doch dazu wird Dir wol wenig [Ze]it bleiben, Du müßtest denn meinen, daß Du durch Deinen pathologisch anatomischen Blick in die menschliche Natur einen höheren Standpunkt zur Beurtheilung der Menschen gewinnen wirst. Doch Du hast Dir einmal Dein Schicksal gewählt und kannst nun die af ganzen Ferien hindurch assistiren, während Du von Berlin aus eine ag schöne Excursion nach dem südöstlichen Tyrol hättest machen können.

Ich werde wol bis nach der Naturforscher-Versammlung hier bleiben, früher werde ich nicht fertig sein. Die schöne Reise in der Schweiz mit Claparède und Paalzow werde ich leider ganz aufgeben müssen. Im Oktober verherrliche ich die Hochzeit meiner Schwester durch meine allerhöchste Gegenwart, dann geht es nach Wien. || Dort habe ich im Winter meine Reise zu bearbeiten – eine ungeheure Aufgabe. Das chemische Laboratorium der Reichs-Anstalt steht mir dort zu Gebote.

Nun mein lieber alter Junge sei mir nicht böse, daß ich Dich so lange warten ließ und schreibe bald poste restante Botzen. Mitscherlich grüße herzlich, falls Du ihn in diesem Semester noch einmal in einem von pathologischer Anatomie freien Augenblick sehen solltest. Gedenke manchmal, wenn Du arme Leichname quälst oder wenn Du von Deiner Wohnung zu Virchow oder von Virchow in Deine Wohnung gehst

Deines

alten treuen Freundes

Ferdinand v Richthofen.

An Beyrich und Weiss werde ich wol nächstens schreiben. Empfiehl mich Deinen Eltern, wenn Du an sie schreibst.

a gestr.: ich; b gestr.: hi; c gestr.: glei; d gestr.: ein; e gestr.: ich; f gestr.: , dabei; g gestr.: Ich; h gestr.: der; i gestr.: nicht; j eingef.: weder; k eingef.: dem; l gestr.: und; m gestr.: sehr; n gestr.: und; o gestr.: Gew; p gestr.: groß; q gestr.: daß ich; r gestr.: unvergeß; s gestr.: wäre; t gestr.: ist; u gestr.: im; v eingef.: sie; w gestr.: für; x gestr.: außer; y gestr.: meinen; z eingef.: fort; aa gestr.: vorüb; ab gestr.: wo in denen sein; ac eingef.: welche ihr; ad gestr.: stellt; ae eingef.: stellen; af gestr.: ganz; ag gestr.: so

 

Letter metadata

Recipient
Dating
23.06.1856
Place of origin
Country of origin
Destination
Würzburg
Possessing institution
EHA Jena
Signature
A 21650
ID
21650