Ernst Reimer an Ernst Haeckel, Berlin, 16. Juni 1867
Berlin den 16ten Juny
Liebster bester Ernst
Ich will mich nicht bei der landläufigen Redensart aufhalten, zu sagen: „Na, dacht ich mir’s doch!“ sondern gestehen, daß wir gestern Abend herrlich, freudig überrascht wurden. Wir waren beim Thee resp. Bier als die Telegraphie klingelte. Meine Frau in Ihrer (klein)a Eigenschaft als Regimentscommandeurin öffnete natürlich die an mich gerichtete Adresse unter Zittern und Beben und fiel mir || dann aber jubelnd um den Hals; wir freuten uns gewaltig sowohl für Dich als für Agnes und wir bitten den Himmel, er möge Euch seinen Segen geben.
Du lieber Ernst paßt für Agnes, wie ich keinen besseren wüßte, und Agnes, wenn sie noch nicht in Allem paßt, sie wird sich Dir, das glaube ich sicherlich, zu Paß machen. Du bekommst da ein einfaches kindliches aber verständiges Mädchen aus dem Du Dir mit Nachsicht und Liebe eine Frau wirst || erziehen können, wie Du sie haben mußt.
Was mich besonders dabei freut, ist, daß Agnes, Deine liebe selige Anna kannte, liebte und verehrte, und daß sie wie ich hoffe an Deiner Seite ihrer um so liebevoller gedenken wird.
Aber Du lieber Ernst wirst auch oft Nachsicht haben müßen mit meiner kleinen Agnes, denn manches wirst Du vielleicht an ihr vermissen, was gerade bei Deiner Anna Dich beglückte. Verzeih mir diese Ermahnung || sie floß mir nur aus Liebe und Theilnahme in die Feder; Du bist ja wahrlich Mannes genug um zu wissen, was Dir zu b thun und zu lassen bleibt.
Meine Frau läßt Dich auf das Allerherzlichste grüßen; sie schreibt an Agnes. Grüße Du Deine Agnes, meine liebe Schwiegermutter und die lieben Schwägerinnen. In den großen Ferien macht Ihr doch Hochzeit? Vorerst muß aber die Mutter mit Agnes nach Salzungen, da habe ich nun die Bitte, daß Du Alles thust, um sie womöglich in nächster Woche schon zu expediren. In großer Freude und alter Treue
Dein Ernst Reimer
a eingef.: (klein); b gestr.: tuh