Weiß, Ernst

Ernst Weiß an Ernst Haeckel, Schkeuditz, 16. April 1857

a Schkeuditz d. 16. April 57.

Mein lieber Ernst!

Schönen Dank für Deinen Brief; denn man muß ja danken, obschon es in anderer Weise erwünschter gewesen wäre; nämlich wenn ich dies hätte mündlich thun können. Trotzdem wundere ich mich eigentlich nicht sehr, daß Du Deine Krebse nicht so schnell überwältigen zu können glaubst, und wünsche blos, daß der stärkere Theil schließlich doch auf Deiner Seite bleiben möge, möchtenb nun (worüber ich herzlich erschrocken bin) die Sehnen des Astacus fluviatilis aus elastischem oder Chitin-Gewebe bestehen! – Und dann: glückliche Reise u. Ankunft in Wien!

Weber habe ich auf der Herreise am Bahnhofe getroffen, wie es verabredet war; er fühlt jetzt, daß er sich bisher gar zu sehr von aller Welt abgeschlossen gehalten hat u. das Verlangen, sich zu ändern, sowie mancherlei mißglückte Versuche machten ihn ziemlich unglücklich. Hoffentlich ist es eine gute Durchgangsperiode, in der er sich befindet. Ich habe ihn zu mir nach Schkeuditz eingeladen, bezweifle aber || doch, daß er kommen wird, zum Theil, da er in dieser Zeit seine Examenarbeiten zu beendigen denkt. Deinen Brief habe ich ihm mitgetheilt. Von Hetzer weiß man jetzt: daß er an Weihnachten das Examen glücklich bestanden hat, u. daß er gegenwärtig in Weißenfels den – miles gregarius, aber doch den höheren, einjährigen spielt. Er will um die Weihnachtsgegend herum an mich ausführlich geschrieben haben, doch habe ich keine Zeile erhalten. Es scheinen öfter Briefe verloren zu gehen.

Gestern war ich in Leipzig, erfuhr jedoch bei Wieck’s, daß der Prof. verreist sei. Der Dr. Braune wohnt nicht bei seiner Mutter (Poststraße 19, 3 Treppen), sondern, höre ich, im Spital. Ich hatte gestern keine Zeit mehr übrig, ihn selbst aufzusuchen u. gab daher Deine Dissertation bei seiner Mutter ab, ich werde ihn aber das nächste Mal, wenn ich wieder nach Leipzig gehe, zu finden suchen.

Empfiehl mich Deinen Eltern herzlich, bitte. Ob ich schon Ende April nach Berlin zurückkehren werde, oder erst später, weiß ich augenblicklich noch nicht. Jedenfalls würde ich mich aber vorher erkundigen. – Was macht Claparéde, hoffentlich ist er kein Patient mehr? – Mit herzlichen Grüßen

Dein treuer

Weiß.

In Merseburg war ich bis jetzt noch nicht. – Eine kürzlich erhaltene Aufforderung zu einer Tour nach dem Harz muß ich doch ablehnen. –c

Herrn Dr. chir. et med. Ernst Haeckel.d

a gestr.: Ber; b korr. aus: mögen; c Text auf dem linken Rand von S. 2, um 90° gedreht: In Merseburg … doch ablehnen. –; d Adresse auf dem oberne Rand von S. 2, um 180° gedreht: Herrn … Haeckel.

 

Letter metadata

Author
Recipient
Dating
16.04.1857
Place of origin
Country of origin
Possessing institution
EHA Jena
Signature
A 16646
ID
16646