Soden, Julius Freiherr von

Julius von Soden an Ernst Haeckel, Daressalam, 26. Dezember 1892

Kaiserlicher Gouverneur

von Deutsch-Ostafrika.

Dar es Salam

26/XII 92

Sehr geehrter Herr Professor

Erschrecken Sie nicht allzusehr, wenn sie demnächst von unbekannter Hand 3 Kisten zugesandt erhalten vielleicht höchst fragwürdigen Inhalts; die eine enthält ein kleines Herbarium von Algen, die ich hier gesammelt und die beiden anderen verschiedene Meerungethüme, wie sie sich vor meinem Hause auf den Korallenklippen & -inseln herumtreiben. Vielleicht steht die Mühe, womit ich gesammelt, mit dem Werthe der Sammlungen in gar keinem Ver-||hältniß und Sie lachen mich weidlich aus, vielleicht aber können sie doch irgend einen jungen Herrn Dr. in Jena damit glücklich machen … ganz umsonst wollte ich schließlich doch nicht gesammelt haben und somit beschloß ich auf jede Gefahr hin Ihnen meine Schätze zur Verfügung zu stellen … Kosten werden Ihnen aus der Sendung keinesfalls erwachsen & wenn dies meinem Willen zuwider je der Fall sein sollte, so bitte ich Sie mich durch eine kurze Mitteilung zu deren Ersatz in Stand zu setzen; auch darf ich vielleicht um ein offenes Wort bitten, ob mit dem Kram überhaupt irgend etwas anzufangen war … || es läge dies schon im Interesse Ihrer Mitmenschen, die dann künftig vor ähnlichen Ueberraschungen verschont blieben.

Ich laborire nun schon über ein Jahr an meinem Rückzug aus diesem herrlichen Lande, das bekanntlich nach einem in Berlin erfundenen und nach mir benannten Systeme regiert wird, dessen erster Fehler ist, daß es eben kein System ist sondern im Kleinen das was unsere Regiererei zu Hause im Großen … ein Versuch es Jedermann recht machen zu wollen der natürlich nicht thunlich werden wird … Spekulant & Philanthropa, katholischer u. evangelischer Missionar, Pessimist & Optimist, Soldat und Bauer … jeder soll seine Rechnung bei der Sache finden … in der Theorie || ein schöner Gedanke … in der That aber ein Kunststück das auch der gewandteste Clown kaum fertig bringen wird…

Neulich wurde mir ein sehr wohlwollender Artikel einer Leipziger Zeitung unterzeichnet „Dr. Hans Meyer“ zugeschickt, der mit der gewiß sehr berechtigten Forderung eines Colonialamts endigte; allerdings dürfte an der Spitze dieses Colonialamts kein skrophulöser rückgratloser Jude stehen sondern ein „Mann“, ob aber das derzeitige System zu Hause überhaupt „Männer“ vertragen kann, das ist wieder eine andere Frage … Nun ich habe meine 22 Jahre weltlicher Irrfahrten hinter mir und hoffe zu Gott … man wird mich hoffentlich || zur Ruhe setzen … ich bin blos nach Africa entflohen, um dort die Freiheit die ich meinte zu suchen; in Kamerun fand ich sie noch einigermaßen … hier aber weilt sie nicht mehr und wenn ich mich denn doch einmal von Geheimräthen & Strebern kujonieren lassen muß … wozu dann noch in die Ferne schweifen?

Von unserem gemeinsamen Freunde in Algier habe ich schon lange nichts mehr gehört; er scheint aber doch zähe auszuhalten und sich seines bischens Daseins noch immer zu erfreuen. – ||

Vielleicht führt mich das bevorstehende Jahr doch einmal wieder in Ihre Nähe und verschafft mir dadurch das Glück Sie wieder einmal persönlich begrüßen zu können. Indessen benutze ich diesen Anlaß um Ihnen zum Jahreswechsel meine besten Glückwünsche zu übersenden und indem ich Sie bitte mich auch Ihren Angehörigen bestens empfehlen zu wollen bleibe ich mit vorzüglichster Hochachtung

Ihr ganz ergebenster

J. v. Soden.

a gestr.: Xxx; eingef.: Philanthrop

 

Letter metadata

Recipient
Dating
26.12.1892
Place of origin
Country of origin
Possessing institution
EHA Jena
Signature
EHA Jena, A 13269
ID
13269