Ammon, Otto

Otto Ammon an Ernst Haeckel, Karlsruhe, 20. Januar 1900

Otto Ammon.

Karlsruhe, | Hirschstrasse 114.

20. Jan. 1900.

Herrn Professor Dr. Ernst Haeckel, Hochwohlgeboren, Jena.

Hochgeehrter Herr!

Seitdem ich vor ungefähr 16 Jahren mir erlaubte, Ihnen ein Gedicht über die Umwandlung des Moners zu senden, das Sie freundlich aufzunehmen die Güte hatten, ist mir nicht mehr die Ehre zu Theil geworden, mit Ihnen in Beziehung zu treten. Ich habe mich darauf beschränkt, Ihre Werke zu studieren, aber auch größere eigene Untersuchungen unternommen, deren Ergebnisse von der fachwissenschaftlichen Kritik nicht ungünstig beurteilt wurden.

Die Veranlassung, warum ich mich heute an Sie wenden muss, ist das geplante Ausschreiben betreffend die aus der Abstammungslehre für die Gesetzgebung zu ziehenden Folgerungen. Ich lese darüber Nachrichten in der Tagespresse, die jedoch nicht vollständig zu sein scheinen. Namentlich ist gar nichts über den Umfang der Manuscripte gesagt, was sonst zu geschehen pflegt. Da Sie an der Spitze der Preisrichter mit den Herren Prof. Conrad und Fraas genannt sind, erlaube ich mir die ergebenste Bitte, durch Sie nähere Mittheilungen, etwa durch einen gedruckten Prospekt oder dergleichen zu erhalten.

Da ich mich seit vielen Jahren ganz besonders mit der Anwendung der Abstammungslehre auf die Entwickelung der menschlichen Gesellschaft befasst habe, scheint es mir, dass ich mich an dem Wettbewerb betheiligen sollte. Auf der anderen Seite schreckt allerdings das Wort „Gesetzgebung“ ab, denn um dieses Verlangen zu erfüllen müsste man einer Klasse von Gelehrten angehören, die noch nicht besteht, nämlich man müsste Naturwissenschafter und Jurist zugleich sein. Ich glaube jedoch annehmen zu dürfen, dass wenige Juristen dem naturwissenschaftlichen Theil der Frage gewachsen sein werden, und dass andererseits von dem Preisgericht ein näheres Eingehen auf juristische Einzelheiten nicht gefordert wird, sondern nur die Aufstellung grundsätzlicher Forderungen für die Gesetzgebung. ||

Verzeihen Sie, hochgeehrter Herr Professor, die Mühe, die Ihnen durch meine Bitte verursacht wird. Sollte sich ein Prospekt erst im Druck befinden und die Zeitungsnachricht erst eine vorläufige sein, so bedarf es keiner Antwort Ihrerseits, denn ich kann warten, bis das Ausschreiben herauskommt.

Mit vorzüglicher Hochachtung ganz ergebenster

Otto Ammon

 

Letter metadata

Author
Recipient
Dating
20.05.1909
Place of origin
Country of origin
Possessing institution
EHA Jena
Signature
EHA Jena, A 10985
ID
10985