Heldburg, Helene Freifrau von

Helene Freifrau von Heldburg an Ernst Haeckel, Meiningen, 14. Februar 1919

Meiningen, 14.2.19.

Innig verehrter, theurer Herr und Freund!

Meinen Blumengruss, den ich leider Fremden anvertrauen muss, waehrend ich ihn, ach wie gerne! selbst zu Ihnen braechte, will ich ein Wort treuen, vor ehrenden Gedenkens folgen lassen, || mit der Bitte, der dringenden, ja keine Notiz davon zu nehmen. „Die Liebe, die uns folgt wird uns oft laestig“ – und das soll die meine durchaus nicht werden. Dank soll sie bringen, und fuer Dank dankt man doch nicht. Prinz Ernst der weiss, wie von Herzen ich an Exzellenz haenge, schrieb mir neulich, er habe sie bewundernswuerdig frisch gefunden – ach, ich weiss aber, dass der Schein auch hierin oft truegt, und dass den angeregten Stunden solche der Ermuedung, der Niedergeschlagenheit, || der Vereinsamung unausbleiblich folgen muessen. Ich weiss, aus trauriger Erfahrung, wie schwer es ist, den Lebensbecher bis auf die Neige leeren zu muessen. Moechten Ihnen doch wenigstens treue Freunde und Gesinnungsgenossen zur Seite stehen – freilich, gerade uebera die schwersten Stunden koennen sie uns nicht weghelfen – die traegt man allein.

Wenn ich beiʼm Nahen Ihres Geburtstages besonders oft Ihrer gedachte, kamen mir Verse Giordano Brunoʼs immer wieder in den Sinn || deren Schlusszeilen ich aus dem Gedaechtniss hersetze, als Motiv fuer das inliegende Zweiglein:

„Thraenen und Sinnen, o meine Seele,

Und in den Haaren ein Lorbeerblatt“

es sagt dasselbe wie ein voller Kranz? Wenn ich nicht wuesste, wie so ganz machtlos Wuensche sind, ich wuerde Ihnen vor Allem Eines wuenschen: Gesundheit! Lassen Sie mich hoffen, theurer, verehrter Herr und Freund, dass Sie sich ihrer erfreuen duerfen, und lassen Sie mich sein „Ganz unverwendt bis anʼs End“ in dankbarer Treue Ihre

H. v. Heldburg.

a eingef.: ueber

 

Letter metadata

Recipient
Dating
14.02.1919
Place of origin
Country of origin
Possessing institution
EHA Jena
Signature
EHA Jena, A 10392
ID
10392