Gegenbaur, Carl

Carl Gegenbaur an Ernst Haeckel, Heidelberg, 12. Juli 1879

Heidelberg, 12. Juli | 1879

Liebster Freund!

Mittsommer ist vorüber und noch ist kein Sommer da, denn wie es draußen auch grün ist, und Wald und Feld in üppiger Vegetation prangen, Sommer ist‘s nichts, dazu verlangte ich blauen Himmel und warme Lüfte, was leider uns mangelt. Wohl schon seit 14 Tagen regnet es täglich, und die Temperatur sank manchmal auf 10-11 Grad, so daß der „grüne Winter“ vollständig war. Bei Euch wird‘s wohl nicht besser sein so wenig wie anderswo, und so müssen wir uns denn mit den Anderen trösten. Im Uebrigen ist das Sommersemester ein recht gutes geworden, und ich wünsche nur daß die Frequenz anhalten möchte. Kürzlich ist auch der Bauanschlag über || meine weiteren baulichen Änderungen in der Anatom. Anstalt fertig gestellt worden, so daß ich nur die Kammer noch nöthig habe um endlich zu einer vollständigen Anstalt zu kommen. Ob bei diesen Zeitläuften, wo außer der Jahreszeit noch vieles andere sich verdreht hat, und nur Eines in gutem Gange ist, die Steuerschraube, eine Bewilligung gemacht werden wird, kann ich nicht vorhersagen. Ich hoffe es aber, und bin auch beruhigt wenn nur ein Theil Gnade erfährt. Eine große Wühlerei im Hause ist mir sogar etwas hinderlich, da ich noch sehr mit meinem Buche beschäftigt bin. Das Ms ist bis auf weniges vollendet, aber mit den Holzschnitten habe ich große Schwierigkeiten. Durch Engelmanns Tod ist mir in der Fertigung der Schnitte eine lange Pause entstanden und auch mit dem Zeichnen, das ich || selbst besorge, geht es, wie Du mich kennst, nur langsam voran. Es gehörte überhaupt viele Zähigkeit dazu an dem Begonnenen festzuhalten, nachdem der Zeichner in seinen Producten sich als unbrauchbar erwiesen, und damit das fertig geglaubte von neuem als Aufgabe gestellt war.

Uebrigens erwarte nicht daß ich etwas ganz anderes als ein anatomisches Lehrbuch liefern will. Beim ersten Betrachten wird es aussehen wie die anderen, und erst bei genauerer Prüfung wird man einige Verschiedenheiten finden. Nebenbei bereite ich mir das Material zu einer Wirbelarbeit, welche mich wenn jenes nur erst einmal beisammen, wenig Mühe kosten wird. An Arbeit fehlt es also nicht, auch nicht an Zeit dazu, da ich mir manches bequem gerichtet habe. Bei meinen Kindern ist‘s jetzt wieder besser, nachdem nämlich die beiden Kleinen seit Himmelfahrt den Keuchhusten hatten. Meine Frau || hat am meisten darunter gelitten. Sie wartet jetzt nur auf gutes Wetter um Baden nach Griesbach zu gehen. Dabei wird das Semester allmählich zu Ende gehen, ohne daß die Ferien mir gerade besonders ersehnt sein werden. Jedenfalls bleibe ich zum Beginn derselben noch hier, um erst zum Ende August oder Anfang September wahrscheinlich wieder den Bergen zuzueilen. Was hast Du vor? Vielleicht für Dich Dein Weg wieder in unserer Nähe, und Du machst uns die Freude uns zu besuchen. Das wäre gar schön. Wir könnten so manches wieder vor uns passiren lassen, was nur zur Besprechung sich eignet, und an Naturgenüssen sollte es diesmal auch nicht fehlen. Uebermorgen geht Fürbr. nach Holland ab. Ich verliere ihn sehr, sehr ungern!

Nochmals, denke daran, daß wir uns zum Herbste sehen, und empfange beste Grüße von Haus zu Haus. Auch Deinen Neffen grüße von mir.

Stets Dein alter

CGbr.

 

Letter metadata

Recipient
Dating
12.07.1879
Place of origin
Country of origin
Possessing institution
EHA Jena
Signature
EHA Jena, A 10039
ID
10039