Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Carl Theodor Ernst von Siebold, Jena, 10. Februar 1873

Jena 10 Februar 73

Lieber und verehrter Freund!

Schon längst wollte ich Dir schreiben, konnte aber wegen einer Masse verschiedener Abhaltungen nicht dazu gelangen. Zunächst habe ich Dich noch um Entschuldigung zu bitten, daß ich Dir die III. Auflage der Schöpfungsgeschichte, von der ich Dir ein Exemplar in München versprach, nicht gesendet habe. Als ich im August von München zurückkam, war bereits die ganze Auflage versendet, und bald darauf auch vergriffen, so daß ich kein Exemplar mehr erhalten konnte. ||

Du sollst aber nun sicher ein Exemplar von der IV. Auflage erhalten, welche in einigen Monaten erscheinen wird.

Zu meinem großen Bedauern war es mir auch nicht möglich, Dir und Zittel ein Exemplar meiner Monographie der Kalkschwämme zu senden, was ich sehr gern gethan hätte. Die Zahl der Frei-Exemplare war bei dem hohen Preise des Buches so gering, daß ich außer ein paar nächst betheiligten Spongiologen nur an die Gesellschaften, deren Mitglied ich bin, ein Exemplar schicken konnte. So hat denn in München nur Eure Akademie dasselbe erhalten. ||

Ich hoffe, daß Dir das Stückchen vom I. Bande der Kalkschwämme, das ich Dir im Separat-Abdruck schicken konnte, von einigem Interesse gewesen ist. Den Olynthus und die Gastrula halte ich für sehr wichtig. Vieles im Zoophyten-Stammbaum wird dadurch sehr klar. Ebenso scheint es mir auch sehr wichtig, daß man das „coelenterische System“ der Zoophyten nicht mit Leuckart als „Leibeshöhle“, sondern als Darmsystem auffasst. Besonders wenn man die Homologie des Entoderm und Exoderm bei Spongia und Acalephen mit dem inneren und äußeren Keimblatt der höheren Thiere anerkennt, wird der Stammbaum des Thierreichs dadurch sehr klar. ||

Am 1. März gehe ich auf 8 Wochen in den Orient: zuerst über Wien und Triest nach Egypten (wo ich etwas am rothen Meer zu fischen gedenke, bei Suez), dann nach Syrien und Klein-Asien über Konstantinopel und Wien zurück.

Deiner verehrten Frau Gemahlin bitte ich mich bestens zu empfehlen, sowie auch Zittel und meine sonstigen Freunde in München zu grüßen. Für die freundliche Aufnahme beim Jubiläum, an das ich immer mit großem Vergnügen zurückdenke, nochmals meinen herzlichsten Dank!

In bekannter Verehrung

Dein freundschaftlich ergebener

Haeckel

Für die übersandten Aufsätze über Eier und Speichel-Organ der Bienen besten Dank.a

a Text weiter am linken Rand von S. 4: Für die … besten Dank.

 

Letter metadata

Dating
10.02.1873
Place of origin
Country of origin
Possessing institution
EHA Jena
Signature
EHA Jena, A 32690
ID
32690