Gegenbaur, Carl

Carl Gegenbaur an Ernst Haeckel, Heidelberg, 7. Juli 1874

Heidelberg, 7. Juli 74.

Liebster Freund!

Daß das Vorhergesehene eingetreten, macht mir große Freude und läßt mich eilen Dir meine herzlichsten Glückwünsche zu senden, aber auch Dir Ruhe und Ueberlegung zu gönnen, will ich Dir dringend anempfehlen, da ich mir Deine Unruhe lebhaft vorstellen kann.

Von allen äußeren Dingen abgesehen ist diese Berufung für Dich von besonderem Werthe, weil sie Deine gewiß zu pessimistischen Ansichten bedeutend modificiren wird, und Dir auch die preussischen Universitäten offen zeigt. Da ich nicht zweifle daß man Deine Bedingungen erfüllen wird, und daß die angebotene Stelle auch sonst annehmbar ist, so würde ich Dir nur zur Annahme rathen können, wie ich mir das längst überlegt habe. Die Bonner Zoologie kann Dir kein Hinderniß sein, Du würdest viel mehr den Systematiker vortrefflich ergänzen, und kannst später einmal auch dort die Leitung übernehmen und dafür sorgen daß die Troschel’sche Stelle einmal mit einem Custos, wie Dir das am besten passen || würde, besetzt wird. Was den Weggang von Jena betrifft, so begreife ich daß es Dir sehr schwer werden wird; auch mir ward es schwer, und die Ausführung schwerer als der Gedanke! Aber ich denke mir daß ein Ortswechsel für Dich nur vortheilhaft sein kann. Glaube auch nicht daß Du Verpflichtungen gegen Jena habest. Wenn solche je bestanden, ist Alles auf Deine Kosten längst ausgeglichen, und Du hast genug an Kraft und Thätigkeit zum Opfer gebracht.

Die Theilung des Institutes scheint Dir bedenklich; mir auch. Aber die Sache ist nicht so schlimm wie sie aussieht, wenn nämlich Lavalette Anthropotom wird. Dürfte dabei auch die Anatomie nicht sehr viel gewinnen, so ist er doch ein trefflicher, sicher sehr verträglicher und Dir alle Concessionen machender Mann. Ich bin überzeugt daß Du gut mit ihm auskommen wirst, und daß die ganze Situation für Dich viel günstiger ist, als wenn irgendein anderer anatomischer Carnikil, vielleicht noch mit einer rechten Portion „mechanischen Hochmuthes“ oder „mikroskopischen Dünkels“ neben Dir zu hausen hätte. Sieh’ also in Lavalettes Ernennung ja keine Schwierigkeit, sondern || erkenne vielmehr eine solche im anderen Falle, wenn man einen anderen, und die sind alle mehr oder minder von den Leipzigern inspirirt und inficirt, dorthin berufen sollte.

Nun noch einen Punct. Sorge ja daß Richard Hertwig sich in Jena habilitirt, und dann in Deine Nachfolge eintreten kann. Lasse ihn für diesen Zweck doch schon im Winter Zoologie lesen. Ich zweifle nicht daß er Erfolg haben wird, und daß man ihn zum provisor. Director des Instituts machen kann, und zum Ordin. avanciren läßt. Es wäre schmerzlich wenn irgend einer der Kerle gar noch als Zoolog nach Jena berufen würde. Ich glaube es ist gegenwärtig wie je Deine Pflicht die Stelle nicht in unsaubere Hände gelangen zu lassen, und den Leipziger Einwirkungen die ihre Mündungscanäle bereits in Jena besitzen, gründlichst mit aller Energie, entgegenzuarbeiten. Suche die Facultät schon jetzt auf diesen Gedanken zu leiten, dem Strasburger sich nicht feindlich zeigen wird, wenn Du ihm den Eintritt in die Examenscommis. zeigst. Wegen der Jugend verweise auf Bezold. Wie dringend die Sorge für Nachzucht ist, geht aus den in letzter Zeit erfolgten Besetzungen zoolog. Lehrstühle hervor. Schenk u.|| Herrn Koßmann hat die Berliner Acad. zur Begleitung einer Expedition nach dem rothen Meere vorgeschlagen! O sancta simplicitas! Kurz, Alles macht nothwendig nicht hinter dem Berge zu halten. Wie Du siehest habe ich mir Alles zurecht gelegt und finde das Ergebniß daß ich vorne aussprach als ein nothwendiges. Doch Du hast ja noch anderes in Erwägung zu nehmen, und so lasse Dich nicht von von mir präoccupiren.

Lebe wohl und sei mit den Deinigen herzlichst von uns begrüßt, vor Allem von Deinem aufrichtigen

CG.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
07.07.1874
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 9982
ID
9982