Banf, Erwin

Erwin Banf an Ernst Haeckel, Rheydt, 16. Februar 1904

Rheydt, den 16. Februar 1904.

Hochverehrter Herr Professor!

Verzeihen Sie, wenn ich, als einer Ihrer aufrichtigen Verehrer, mir die Freiheit nehme, mich in einer Angelegenheit, welche meine Zukunft betrifft, an Sie zu wenden und entschuldigen Sie bitte, daß ich zu diesem Zwecke etwas weiter zurückgreifen muss.

Als jüngster Sohn des verstorbenen Lehrers Banf besuchte ich einige Zeit lang eine Realschule, später das Gymnasium zu Barmen und zwar bis zur Obertertia, woselbst ich die Schule und damit das Studium unserer pecuniären Verhältnisse halber verließ, mich auf Anraten von Verwandten ins Ausland begab, um Kaufmann zu werden. ||

Mein großes Interesse an der Erforschung fremder Sprachen; französisch italienisch, englisch, deren erstere beiden ich beherrsche, und der Trieb Welt und Menschen kennen zu lernen, ließen mich später längere Reisen unternehmen.

Aber allmählig gewann das Gefühl, daß ich in dem, so gegen mein eigentliches Wollen gewählten kaufmännischen Berufe auf die Dauer keine Befriedigung finden, mein Leben den rechten Inhalt nicht erlangen könne, in mir die Oberhand und so beschloß ich, allerdings unter mannigfachen Hindernissen, zumal ich nach Vaters Tode Mutter und Schwestern unterstützen half, mich noch dem Lehrberufe zu widmen.

Hatte ich doch u. zwar in den verschiedensten Ländern erkannt, wie sehr noch so manches im Argen liege und daß die Schule, welche || zur Erziehung und geisteigen Erleuchtung der Menschen dienen soll, zu den edelsten und schönsten Einrichtungen hienieden gehöre, der Lehrer aber, welcher mit Eifer und Pflichttreue wie ein echter Philosoph seines Amtes waltet, wohl eine schwere, verantwortungsreiche und stellenweise wenig anerkannte, aber zugleich auch eine ebenso ideale als nützliche Arbeit zu verrichten berufen sei.

Ich war im 28.ten Lebensjahre und wurde Lehrer und zwar unter abermals recht erschwerenden Umständen.

Bei angestrengter Tätigkeit, oft Nächte hindurch arbeitend, gelang es mir, das ausgedehnte Pensum des pädagogischen Studiums, zu dessen Erledigung gewöhnlich 6 Jahre erforderlich sind, mit privater Vorbereitung von einem Jahre, nebst 5 monatl. Hospitieren am Seminar, zu bewältigen und bestand somit als Externer die Lehrerprüfung, worüber nachstehend Zeugniscopie. ||

Nach bestandenem Examen nahm ich Stellung in Crefeld, später in Mönchen Gladbach an, verließ diese zum 1ten Januar desselben Jahres laut IIter Zeugnisabschrift, um mich für die Universität vorzubereiten.

Auch meine, wenn auch nur kurze Lehrtätigkeit, von kaum einem Jahre hatte hingereicht, mir zu zeigen, wie auch hier neben so mancher segensreichen Errungenschaft der Neuzeit so vieles existieren könne, was der Änderung, der Reform bedürftig ist. – Unsere Zeit ist die böse Zeit des Überganges, die Zeit der moralischen Leiden, aber auch die glückliche Zeit in der beherzte Menschen in idealer Weise ihr eignes Ich vergessend, im Enthusiasmus für das Höchste und Beste wirken, für die Wahrheit und die glückliche Zukunft einer glückseligeren Menschheit.

Möchten Sie hochverehrter Herr Professor, aus diesen Zeilen erkennen, wie herzlich gut und treu ich’s meine, wie sehr ich Verlangen trage, ||

II.

dasjenige, zu dessen Vermehrung Sie so Großes u. Vieles beitrugen und noch beitragen, nämlich das geistige Erbe der Wahrheit anzutreten, um dereinst für ihre Rechte mit ganzer Energie eintreten zu können.

Ich bin nun 30 Jahre alt und gedenke im Herbste nach Jena überzusiedeln, denn ich hoffe bis zu diesem Zeitpunkte den größten Teil des zum Realgymnasialabitur erforderlichen Pensums erledigt zu haben, würde dann dort daran weiter fortfahren, indessen schon gleich an den Vorlesungen teilnehmen und so bald wie möglich das Abitur machen.

Gegenstand meiner Universitätsstudien waren: Naturwissenschaften oder Philosophie und Neuphilologie.

Könnte auf Grund der vorliegenden Zeugnisse meine einstweilige Immatrikulierung an der dortigen Universität erfolgen?

Es würde mir zu großer Freude gereichten, wenn ich über alles das einmal persönlich mit || mit Ihnen sprechen könnte, zu welchem Zwecke ich mich, falls Sie geneigt wären, mir die hohe Ehre einer kurzen Audienz zu gewähren, etwa im Laufe der nächsten Monate nach Jena begeben würde.

Nehmen Sie bitte nicht Anstoß an der Freiheit und Offenheit, mit der ich mich in diesem Falle an Sie wende; erblicken Sie vielmehr darin ein Zeichen meiner Hochachtung und Verehrung, mit welcher ich Sie, Herr Professor, begrüße, nicht ohne Ihnen für Ihre freundliche Nachricht im Voraus herzlichst zu danken.

Ganz ergebenst:

Erwin Banf.

P.S. Im Begriffe diese Zeilen an Sie abzusenden, las ich in einer Zeitschrift von Ihrem 70ten Geburts- u. Ehrentage und erlaube mir daher Ihnen noch nachträglich meine besten u. herzlichsten Wünsche auszusprechen. Auch vernahm ich gleichzeitig, daß Sie noch für einige Zeit an der italienischen Riviera verweilen, jener herrlichen Landschaft, welche auch ich schon mehrere Male besuchte. – Da nun vorliegender Brief einmal geschrieben war, so wollen Sie gütigst entschuldigen, daß ich schließlich vorgezogen habe, ihn nach dort abzuschicken u. zwar unter „Einschreiben“, weil ich Ihrer ws. Adresse nicht gewiß war.

wiederholt ergebenst der Obige

ws. Adresse ist:

Rheydt (Rheinland)

Beckerstraße 70 ||

I. Abschrift der Prädikate des Lehrerprüfungszeugnisses:

Vorgebildet: privatim.

Führung: Nach dem vorgelegten Zeugnisse: Gut.

Schriftliche PrüfungsarbeitenMündliche Prüfung

i/ ReligionGenügend.i/ PädagogikGenügend.

DeutschGenügend.ReligionGenügend.

GeschichteGut.DeutschGenügend.

RechnenGut.GeschichteGenügend.

RaumlehreGut.Rechnen u.

NaturkundeGenügend.Raumlehre } Genügend.

GeographieGenügend.NaturkundeGenügend.

französ. SpracheSehr gut.GeographieGenügend.

französische Sprache Sehr gut.

Schreiben

Zeichnen }Genügend.

Singen

Violinspiel

Im praktischen Unterricht: genügender Anfang

Umstehend IIte Zeugnisabschrift ||

II. Abschrift des Zeugnisses über meine Lehrtätigkeit in Mönchen Gladbach.

Der Lehramtsbewerber Herr Erwin Banf ist vom 7ten Mai bis zum 31. December 1903 aushülfsweise an der ew. Volksschule in der Knogsstraße hierselbst thätig gewesen. Er übernahm an diesem fünfklassigen System die fünfte Klasse und widmete sich von Anfang an mit lobenswertem Eifer und zunehmendem Geschick dem Lehrberuf, den er mit dieser Thätigkeit begonnen hat. Solches bescheinigt gerne mit dem Hinzufügen, daß die Lebensführung von Herrn E. Banf einer seinem Stande durchaus angemessene war.

gezeichnet vom Ortsschulinspektor.

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Empfänger
Datierung
16.02.1904
Entstehungsort
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 8168
ID
8168