Becker, Franz Johann Jakob Emil

Franz Johann Becker an Ernst Haeckel, Serrières, 14. Mai 1915

11 Clos de Serrières, Schweiz

den 14. Mai 1915.

Hochgeehrter Herr Professor,

Mit Bedauern habe ich soeben die Todes-Anzeige von Ihrer Frau Gemahlin empfangen und bitte ich Sie, meiner größten Theilnahme versichert zu sein. –

Sie haben aber, während vielen Jahren, das Eheglück genoßen; mir war dies leider, in meiner Ehe, nicht vergönnt. –

Für Ihren so liebenswürdigen Brief vom 9 des danke ich Ihnen von Herzen; Ihre Briefe und Ihre Anerkennung, meiner kleinen Arbeit, im Interesse des Monismus, sind überaus wohlthuend für mich, wo ich, überall und hier noch mehr als in Basel, angefeindet und in schändlicher Weise verleumdet werde, wegen meiner freisinnigen Ideen; ich weiß wohl, daß eine tüchtige Portion Neid und Eifersucht, dabei ist, weil ich mir erlaube, als Klein-Rentier, nach meinen Ideen zu leben. – Aber ich finde, daß ich auch hier das Rechte thue, denn ich finde es verächtlich, gemein und ungerecht, daß unsere Millionäre, selbst wenn sie zehn und zwanzig Millionen || haben, immer noch auf ihrea Bureaus, gehen, nur um mehr Geld zusammen zu schachern, nur um, mit ihren Weibern, Automobilen etc. etc. mehr Luxus treiben zu können. –

Und diese Leute (denn es sind meistens Mucker) unterstehen sich, uns verächtlich, Materialisten zu nennen! Man weiß nicht, ob man diese Leute mehr wegen ihrer Unverschämtheit oder ihrer Unwissenheit – bedauern muß. –

Ihrem Wunsche gemäß, sende ich Ihnen, separat, 12 Exemplare, von meinem bescheidenen Circular, welches, zu meiner großen Freude, Ihre Anerkennung gefunden hat. – Ich möchte Ihnen doch noch mittheilen, das der 2 und 3te Satz, in demselben (zum Theil und mit einigen kleineren Abänderungen, aus dem Circular entnommen sind, welches der Deutsche Monistenbundb, vor ca. 2 Monaten, an die Mitglieder, versandte. – Der Satz über die „finstern Gewalten in der Menschenbrust wie Neid, Haß etc.“ waren mir so aus dem Herzen gesprochen, daß ich ihn, in mein Circular, einverleibt habe. – Ich hoffe übrigens, was Druck und Papier anbelangt, in Zunkunft, noch etwas Besseres zu leisten. – ||

Letzten Sommer, im Juni und Anfangs July, habe ich von Ihrer Schrift „Gott-Natur“, ca. 35 Stück, gratis, an einige Basler Großräthe und Nationalräthe (die obersten Gesetzgeber) versandt. – Leider kam bald darauf der schändliche Krieg und weiß ich nicht, welche Wirkung diese Schrift gemacht hat. –

Es würde mich aber interessiren, gelegentlichc zu erfahren die wievielte Auflage, dieses ausgezeichnete Werk, erfahren hat. –

Damit Sie wenigstens sehen, verehrter Herr Professor, wie einer Ihrer überzeugtesten Bewunderer und Anhänger, aussieht, erlaube ich mir Ihnen einliegend meine Photographie zu überreichen. – Leider muß ich beifügen, daß ich jetzt bedeutend älter aussehe, denn diese Photographie wurde vor ca. 20 Jahren genommen! – Seitdem habe ich mich nicht mehr „verewigen“ lassen. –

Mit vollkommener Hochachtung

ganz ergebenst

Franz Becker

P. S.

Vorgestern sagte mir Jemand: Wie können Sie nur Ihr Circular versenden? wissen Sie denn nicht, daß Häckel, das Circular der 93 unterschrieben hat. etc. etc.! Das wird am im Ausland, noch oft genug, zu hören bekommen – leider. –

a korr. aus: Ihre; b korr. aus: Monistenbundes; c eingef.: gelegentlich

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
14.05.1915
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 7780
ID
7780