Besser, Käthe

Käthe Besser an Ernst Haeckel, Bonn, 30. Mai 1906

Bonn 30.V.06.

Louisenstr. 36

Hochverehrter, lieber Herr Professor,

Längst hätte ich Ihnen wieder mal geschrieben, aber meine Gemütsverfassung ist eine unsagbar schwere. Ich hoffte immer die verwickelte Situation würde sich klären, aber anstatt dessen, ist sie immer schwieriger geworden. Alle Bemühungen Pensionaire zu bekommen, sind gescheitert und meine Wohnung ist noch immer nicht vermietet. Ich habe es ja kommen sehen, wie es gekommen ist. Ein Apell an Guddens Anständigkeit durch einen Drittena ist || unbeantwortet geblieben. Von einem solch niedrigen Charakter war nichts anderes zu erwarten. Er hat geerntet was mein Mann gesät hat und sitzt als praktischer Kaufmann in der Wolle. –

Mit Binswanger hatte mein Mann keine nähere Beziehung, aber manchmal giebt es ja wohl so einen reichen Special-Collegen der einer Witwe geholfen hätte. Hoffentlich dauert diese Marter von Leben nicht mehr allzu lange, obgleich meine Krankheit viel besser ist – trotz alledem. ||

Ich Egoist sprach nur so unerquicklich von mir. Gar oft fliegen meine Gedanken zu Ihnen und wüßte ich gar gern, ob Ihnen das Frühjahr relative Genesung gebracht hat und Sie frei von Schmerzen sind. Etwas Concessionen müssen Sie ja dem Alter machen, hochverehrter Freund, aber leicht ist das ja nicht, besonders für solchen Feuergeist wie Sie es sind. Sein Sie nachsichtig mit meinen Zeilen. Aber es || ist mir zu Mute, als drückten tausend Centner auf mir. Ich habe nicht mehr lange die Kraft mit Frau Sorge den Kampf zu kämpfen, das fühle ich zu gut.

Sein Sie herzlichst gegrüßt mit dem Wunsche daß Sie das Leben leichter tragen als

Ihre

stets dankbare

treu ergebene K. Besser

a eingef.: durch einen Dritten

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
30.05.1906
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 7580
ID
7580