Käthe Besser an Ernst Haeckel, Bonn, 8. April 1901
Hochverehrter Freund –
Long ago – daß ich Ihnen einen direkten Gruß sandte! Desto mehr in Gedanken! Ihren letzten lieben Brief erhielt ich auf herrlicher Bergeshöhe in Adelboden (Seitenthal des Kanderthals) und wäre brennend gern mit Ihnen in Basel zusammen getroffen. Aber ich sah mich rettungslos schon im Crematorium. Es hat sich herausgestellt daß die jetzige Modekrankheit – diabetes – auch mich nicht verschont hat. Es fehlte mir bei der späten Diagnose der parlamentarische Ausdrücke [!] für meine hellen Aeskulapse. Erst kolossale Abmagerung brachte sie auf die richtige Fährte. Und was hat man für einen Stucken am Bein mit solcher Krankheit! Ich war nie gewöhnt auf mich Rücksicht zu nehmen. Es geht mir aber nach strengster Diät und nach Gebrauch || des als [ ] angepriesenen neuen Mittels Glycosalool – recht gut. – Doch genug, oder richtiger zu viel davon! –
Wie scheinen Sie mir hochverehrter Herr Professor, beneidenswerth! Sie wissen doch warum Sie leben! Wie hat mich jede Zeile aus Insulinde lebhaft interessirt. Und wie Ihnen die fernsten Länder offen, so auch jedes Haus und Herz. Hoffentlich fühlen Sie sich auch wiedera körperlich ganz frisch und wohl in Ihrem geliebten Jena und fanden daheim || verhältnißmäßig Alles wohl auf. Ich habe jetzt viel auf meinen Schultern denn am 27. April, Samstag in 14 Tagen, ist die Hochzeit meiner Blonden. Wie einzig schön wäre es – wenn Sie das Fest als unser liebster Ehrengast b mitfeierten! Ich wage aber garnicht darum zu bitten. Oder wäre es doch nicht undenkbar? –
Was müssen für Anstrengungen, || Ausgaben u. s. w. gemacht werden, ehe solch Nest für ein junges Menschenpaar fertig ist. Schade, daß die Diogenesse in der Tonne ausgestorben. –
Dieses Jahr wird uns ganz hoffentlich ganz sicher ein Zusammensein vergönnen! Mein Mann grüßt Sie herzlich mit
Ihrer
treu ergebenen
Käthe Besser.
Ostern 1901. Bonn.
a eingef.: wieder; b gestr.: es