Berbig, H.

H. Berbig an Ernst Haeckel, Leipzig, 10. April 1905

Sehr geehrter Herr Professor!

Arthur Schopenhauers „Versuch über das Geistersehn und was damit zusammenhängt“ (Parerga und Paralipomena, Bd. I in der Ausgabe von Ed. Grisebach) hat mir ein Gebiet eröffnet, dem ich früher als aufgeklärter Laie sehr skeptisch gegenüberstand. Erscheint mir auch manche Behauptung gewagt und nur erklärbar unter Annahme der Philosophie Schopenhauers überhaupt, so habe ich doch anderseits viele Beobachtungen gesammelt, die Schopenhauers Hypothesen zu bestätigen scheinen. Ich vermag || nicht klar zu sehen und fürchte, mich beim Weitereindringen in das spekulative Gebiet zu verirren, da ich gänzlich ohne philosophische Vorbildung bin, und darum bitte ich Sie, verehrter Herr Professor, - so sonderbar aufdringlich Ihnen diese Bitte auch erscheinen muß – um einige Worte der Aufklärung, um einen kurzen Hinweis, wie ich mich zu diesem schwierigen Gebiete stellen soll, um Ihre geschätzte Meinung von dieser Schrift Schopenhauers.

Da ich vermute, daß eine namenlose Anfrage von Ihnen ohne Weiteres unbeachtet bleiben würde, füge ich meinen || Namen bei, in der Hoffnung, daß Sie, verehrter Herr Professor, diese Zeilen als Privatangelegenheit behandeln werden. Entspringt meine Ihnen vielleicht lächerlich erscheinende Bitte doch dem Streben nach Erkenntnis, und ich vertraue, daß Sie dies Streben an sich nie belächeln werden.

Hochachtungsvoll und ergeben

H. Berbig,

Schulamtskandidat

Leipzig – Reudnitz

Nostitzstr. 39III.

Am 10.4.05.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
10.04.1905
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 7333
ID
7333