Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Erich Metze, Jena, 29. Juni 1911

Jenaa, 29.6.1911.

Die scharfen Urteile, die Sie in Ihrem Briefe über den jetzigen Zustand des deutschen Monistenbundes und die verfahrenen Verhältnisse besonders der Berliner Ortsgruppe fällen, sind leider nur zu wahr und ich bedaure, sie zum größern Teile anerkennen zu müssen. Indessen kann das kein Grund sein, die Flinte ins Korn zu werfen und deßhalb den ganzen Monistenbund zu schmähen, nachdem seit 6 Jahren unendliche Mühen und Fleiß, Arbeiten und Kosten an seine Gründung und Befestigung gewendet worden sind. Daß solche aktiven Elemente wie Vielhaber und Horneffer, die im Grunde Gegner des naturalistischen Monismus sind, dem Bunde schaden, ist leider wahr; aber in jedem Bund gibt es solche Disharmonien. Anderseits ist zu hoffen, || dass Prof. W. Ostwald als sehr fähiger, angesehener und tätiger Präsident diese und andere Hindernisse überwinden wird.

Am Meisten bedaure ich, daß Dr. W. Breitenbach, als einer der fähigsten und aktivsten Gründer des d. Monistenbundes, aus diesem ausgetreten ist, – und noch mehr, daß er sich jetzt in schroffem Gegensatz zu ihm stellt, wo doch die leitenden Prinzipien dieselben geblieben sind.

Dem neuen ‚Humboldt-Bund‘, den Wilhelm Breitenbach gegründet hat, kann ich ebensowenig beitreten, wie dem „ Freien Horst“ von Frau Elita Simon (Harzburg) und anderen neuen Freidenker-Bünden. Ich bin jetzt – mit 77 Jahren – kampfesmüde und durch das Fehlschlagen so vieler gutgemeinter Unternehmungen|| entmutigt. Dazu kommt noch, daß ich seit 10 Wochen sehr krank und zu guter Arbeit unfähig bin. Hoffentlich wird die gute Sache unsers Monismus – trotz aller Hindernisse und Irrwege – doch zuletzt den Sieg behalten.

Hochachtungsvoll

Ihr ergebener

E. H.

a gestr.: DR. W. BREITENBACH BRACKWEDE; eingef.: Jena

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Empfänger
Datierung
29.06.1911
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 6097
ID
6097