Breitenbach, Wilhelm

Wilhelm Breitenbach an Ernst Haeckel, Brackwede, 18. März 1908

NEUE WELTANSCHAUUNG

MONATSSCHRIFT FÜR KULTURFORTSCHRITT …

AUF NATURWISSENSCHAFTLICHER GRUNDLAGE

REDAKTION: DR. W. BREITENBACH, BRACKWEDE I. W.

GESCHÄFTSSTELLE: STUTTGART

BRACKWEDE, 18.3.08

Sehr geehrter Herr Professor!

Mit bestem Dank sende ich Ihnen die 2 Bücher wieder zurück. Die Skizze über Wolff habe ich bereits geschrieben, und das Packard’sche Werk über Lamarck hat mir die Verlagshandlung zum Geschenk gemacht. Francis Darwin hat mir zugesagt, mir einige englische Herren zuzuführen, die mir biographische Skizzen über Huxley, Hooker, Lyell etc. schreiben. Von allen Seiten finde ich ein sehr großes Entgegenkommen. In jüngster Zeit habe ich einen interessanten Briefwechsel mit Prof. Volz-Breslau über den Pithecanthropus gehabt. || Volz hat aus seinen geologischen Feststellungen den richtigen Schluß gezogen, Pithecanthropus und Urmensch müßten gleichzeitig gelebt haben. Daraus hat er dann weiter gefolgert, der Pithecanthropus „könne keinen Platz mehr im Stammbaum des Menschen finden.“

Ich halte, wie ich ihm geschrieben habe, diesen Schluß für nicht zwingend, höchstens könnte man sagen, der Pithecanthropus müße aus der directen Vorfahrenreihe des Menschen ausgeschieden werden. Wenn an irgendeiner Stelle der Pithecanthropus sich zum Menschen weiter entwickelte, warum sollte an anderer dann der Pithecanthropus nicht noch weiter leben können? Es wäre mir außerordentlich wertvoll, wenn Sie mir mitteilen wollen, welche Stellung Sie zu der Volz‘schen || Schlußfolgerung einnehmen. Vielleicht haben Sie die Freundlichkeit, mir in einigen Sätzen Ihre Ansicht zu schreiben. Ich habe Herrn Prof. Volz ausführlich geschrieben und er hat mir dann seine Ansicht über die Stellung und Bedeutung des Pithecanthropus eingehend mitgeteilt, viel eingehender als er es in seiner letzten Veröffentlichung getan hat. Da er mich zu Benutzung des Briefes namentlich den Verdrehungen Dennerts gegenüber ermächtigt hat, werde ich das natürlich tun.

Wie Sie aus dem neuesten Heft der Monistenblätter ersehen, hat es der Vorstand für angezeigt gehalten, eine ungezogene Bemerkung über mich und die „Neue Weltanschauung“ zu veröffentlichen, trotzdem ich die || Herren nicht provoziert habe. Schon zeigen mir Briefe und Anmeldungen zu unserer Gesellschaft den Erfolg dieser Anrempelung. Ich werde die Herren einstweilen ignorieren, müßte aber ein deutliches Wort reden, wenn ich noch einmal eine solche Notiz finde. In der vorigen Nr. war man ungezogen gegen Dr. Schmidt, jetzt ist man’s gegen mich.

Unsere Mitgliederzahl steigt zusehends, so daß wir das beste hoffen. Montag habe ich in Krefeld einen Vortrag über Abstammung des Menschen vor 900–1000 Zuhörern gehalten.

Mit herzlichen Grüßen bin ich in alter Treue

Ihr dankbarer Schüler Dr. W. Breitenbach

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
18.03.1908
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 6043
ID
6043