Breitenbach, Wilhelm

Wilhelm Breitenbach an Ernst Haeckel, Brackwede, 12. November 1907

DR. W. BREITENBACH

Brackwede, 12. 11. 1907

Sehr geehrter Herr Professor,

besten Dank für Ihren freundlichen Brief von gestern, der mir zu meiner grossen Freude zeigt, dass meine Ansichten über die augenblickliche Lage im Monistenbund mit den Ihrigen übereinstimmen. Ob es gelingen wird, die Gegensätze in etwa auszusöhnen und ob ich selbst im Bunde weiter arbeiten kann, muss die Zukunft lehren. Bin ich gezwungen, etwas neues ins Leben zu rufen, dann hoffe ich auch die Unterstützung Dr. Schmidt’s und anderer Freunde zu finden.

Auch ich erhielt gestern den Aufruf des Keplerbundes mit seinen zahlreichen merkwürdigen Unterschriften. Mir war die beabsichtigte Gründung schon seit Monaten bekannt. Die Leute verfügen über grosse Mittel und werden energisch gegen uns vorgehen, so dass ich den neuen Bund als unseren Hauptgegner betrachten muss. Bei der Wichtigkeit dieser Angelegen-||heit halte ich es für dringend nötig, die Arbeit des Bundes fortgesetzt zu beobachten und die wichtigsten Angriffe abzuweisen, event. auch aggressiv gegen den Bund vorzugehen. Ich habe das auch an den Vorstand geschrieben und mich für diese Arbeit zur Verfügung gestellt. Der Keplerbund wird in erster Linie naturwissenschaftlich arbeiten, wir sollten dasselbe tun, nur von anderen Grundlagen aus und mit anderen Ausblicken.

Treten wir dem neuen Bund nicht entgegen, so wird und muss man im Publikum und in unseren eigenen Reihen annehmen, dass wir gegen die Keplerleute nichts zu sagen wissen. Ich bin neugierig zu sehen, wie sich der Vorstand zu meinem Anerbieten verhält. Vermutlich aber wird man auch diese Gelegenheit wieder unbenutzt vorübergehen lassen.

Mit freundlichen Grüssen

Ihr treu ergebener Schüler

Dr. W. Breitenbach

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
12.11.1907
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 6036
ID
6036