Breitenbach, Wilhelm

Wilhelm Breitenbach an Ernst Haeckel, Brackwede, 18. Juni 1907

DR. W. Breitenbach.

VERLAG DES DEUTSCHEN MONISTENBUNDES.

BUCHDRUCKEREI

BRACKWEDE, 18. Juni 1907

Sehr geehrter Herr Professor,

für Ihre beiden Briefe sage ich Ihnen meinen herzlichsten Dank. Von dem Inhalt des officiellen Schreibens werde ich nach Bedarf Gebrauch machen, und ich hoffe nicht ohne Erfolg.

Mit dem letzten Punkte Ihrer Ausführungen, der Verlegung des Bundessitzes nach München, kann ich mich nicht befreunden. Mir scheint, Sie lassen sich durch die grosse Mitgliederzahl der Ortsgruppe München verleiten zu der Ansicht, die Ortsgruppe sei besonders stark und rühriger als andere. Es darf dabei aber nicht vergessen werden, dass zur Ortsgruppe München nicht nur Münchner, sondern Leute aus allen Teilen Bayerns, aus Württemberg, Baden, aus der Rheinprovinz, aus Norddeutschland, aus dem Ausland gehören. Infolge der öfteren Zeitungsinserate der Ortsgruppe München melden sich dort || Leute aus den verschiedensten Gegenden an und die Herren in München behalten diese dann bei ihrer Ortsgruppe, was ich für ganz falsch halte. Dazu kommt noch eins: die Qualität der Mitglieder der Ortsgruppe München ist zum Teil derart, daß ich sie lieber beim Freidenkerbund sähe, Unterbeamte der Post, Telgraphie, kleine Angestellte etc. Ich bin überzeugt, dass ein grosser Teil dieser Leute nicht das mindeste Verständnis für den Monismus hat und nur eingetreten ist, weil gelegentlich einiger actueller politischer Angelegenheiten der Vorstand öffentliche Versammlungen einberufen hat, in denen gegen die Kirche und die Pfaffen gedonnert wurde. Ich habe immer gemeint, der Monistenbund müsse eine Vereinigung höher gebildeter Leute sein, bei denen man auf ein wirkliches Verständnis des geistigen Inhaltes und der kulturellen Bedeutung der monistischen Weltanschauung rechnen könne, nicht aber ein Sammelsurium von Leuten, die in keinem näheren geistigen Konnex zu einander stehen. Wenn wir einen Jahresbeitrag von 5 oder 6 Mark einführen, || springt ein guter Teil dieser Leute namentlich in Bayern wieder ab und das halte ich für den Bund eher für einen Gewinn denn für einen Verlust.

Ich werde nicht den Mut verlieren bei der Arbeit für unsere Sache, im Gegenteil mit vollen Kräften weiter arbeiten. Wenn man im Ausschuss verständig wäre, sollte man meine volle Kraft für den Bund nutzbar zu machen verstehen, nicht aber mich so behandeln wie man anscheinend vor hat, aus Gründen, die ich nicht durchschaue.

Von Dr. Schmidt hoffe ich in diesen Tagen einen Bericht über Ihren Vortrag zu erhalten. Möglicher Weise kann ich davon für einen Nachtrag zu einem Vortrag einigen Gebrauch machen.

Darf ich noch einmal an die Bücher der Herren Prof. Hans Meyer und Gebrüder Sarasin erinnern?

Mit freundlichen Grüssen in alter Treue

Ihr ergebenster Schüler

Dr. W. Breitenbach

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
18.06.1907
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 6033
ID
6033