Paula von Bülow an Ernst Haeckel, Dresden, 31. Oktober 1913
DRESDEN-A., den 31/10. 1913
Sehr geehrter Herr Professor
Das war eine Ueberraschung! für die ich Ihnen meinen herzlichsten Dank sage! Wie sehr lieb von Ihnen meiner zu gedenken; ich hoffe die Stöcke, welche gleichzeitig mit Ihrem Schreiben eintraf – werden mir gute Dienste leisten. Für den Augenblick bin ich noch so unsicher daß nicht ohne Hülfe stehen kann, ich falle um, geschweige denn gehen kann. Wenn ich sage ich kann nicht stehen so ist das nicht richtig es soll heißen daß || ich es nur für eine Minute vermag. Dem zu Folge kann ich mir nur mit einem Stock weiter helfen, die andere, linke Seite, muss durch Menschenhülfe gestützt werden.
Das Altsein wäre ja ganz schön, wenn die Gebrechlichkeit nicht hinzu käme.
Hier einen Scherz: Ein Bub kommt zum Vater & sagt: „Du, Vater, der Lehrer hat gesagt daß wir vom Affen abstammen. Ach, sagt der Vater – Unsinn, du vielleicht, ich nicht.“||
Die kleine, liebe Maria scheint sich in Berlin, der Stadt des Daseins-Taumels, übermäßig anzustrengen. Ich zanke stets etwas, daß sie sich das Bischen Dasein so erschwert durch den Künstler-Ehrgeiz von dem sie meint ihn in dieser Richtung befriedigen zu können. Meines Erachtens würde ihr die literarische Beschäftigung „auch liegen“, wie der Moderne sagt. Kennen Sie, verehrter Herr Geheimrath, den Ausspruch eines Professors über die neue Klex-Richtung in der Malerei? Hier || ist er:
Eines doch vor Allem
hat die „Moderne“ uns gegeben.
Es hat ein jedes Ferkel
das Recht sich auszuleben.
Und nun Schluß & nochmaligen Dank.
Ihnen mit vollstem Wohlwollen zugethan.
P. v. Bülow-Linden.