Ernst Haeckel an Heinrich Eggeling, Jena, 23. April 1900
Abschrift
Urlaubsgesuch von Professor Doktor Ernst
Haeckel für das Wintersemester 1900/1901.
Jena, 23. April 1900
Hochgeehrter Herr Curator
Seit langer Zeit war es mein lebhafter Wunsch, zur Lösung bestimmter Aufgaben und zur Vollendung angefangener Arbeiten noch einmal den Gestalten Reichthum der Tropennatur zu studiren, welche mir vor 18 Jahren bei meinem Besuche von Ceylon so großartige Ausbeute geliefert hatte. Dieser Wunsch ist in den letzten Jahren besonders dringend geworden, ich hoffe durch eine zweite Tropen-Reise sowohl zum endlichen Abschlusse meiner umfangreichen Plankton-Studien zu gelangen, als auch für die Fortsetzung meiner Kunstformen der Natur neues werthvolles Material zu sammeln. Auch darf ich darauf rechnen, meine früher herausgegebenen Monographien über Radiolarien, Spongien, Medusen, Siphonophoren durch neue Formen zu ergänzen.
Meine Absicht ist nun, im nächsten September eine Reise nach Ost-Indien, zunächst nach der Insel Java, anzustreben. Dort beab-||sichtige ich zunächst einige Wochen in der berühmten, in ihrer Art einzigen biologischen Station von Buitenzorg (bei Batavia), zu arbeiten, in welcher schon seit vielen Jahren eine große Anzahl von europäischen Botanikern und Zoologen den Winter zugebracht haben, u. A. mein hiesiger College, Prof. E. Stahl, auch meine beiden Schüler, Prof. R. Semon und Prof. W. Kükenthal haben dort längere Zeit gearbeitet. Später gedenke ich von Java nach der Molukken-See zu fahren, besonders nach den Inseln Celebes und Ambon, deren Korallen-Riffe einen Einblick in den Reichthum der Australischen Fauna gestatten. Gerade dieser Theil des Malyischen Archipels gehört in zoologischer Beziehung zu den interessantesten Theilen der Erde, auch bietet er die beste Gelegenheit, für unser zoologisches Museum eine Fülle von werthvollen und interessanten Thieren zu sammeln. Nachdem ich meine dortigen Arbeiten beendet haben werde, gedenke ich über Singapore im April 1901 direct nach Europa zurückzukehren.
Zur Ausführung dieses Reiseplanes erlaube ich mir nun an Sie, hochgeehrter || Herr Curator, die ergebenste Bitte zu richten, bei den Durchlauchtigsten Erhaltern der Universität folgende Anträge gütigst befürworten zu wollen:
I. Urlaub für das Wintersemester 1900/1901.
II. Subvention von 1000 M aus der Ritter-Stiftung.
III. Beschaffung einer Empfehlung der Holländischen Regierung.
I. Die Gewährung des Urlaubs für das nächste Wintersemester erscheint deshalb unbedenklich, weil für meine volle Vertretung in der Lehrthätigkeit und in der Direction des zoologischen Instituts durch meinen Collegen, den Inhaber der Ritter-Professur, Dr. H. E. Ziegler, bestens gesorgt ist. Derselbe wird außerdem durch den Privatdocenten Dr. Leo Schultze unterstützt. Da dieses Wintersemester das achtzigste Semester meiner hiesigen Lehrthätigkeit sein würde, erscheint mir der Urlaub für dasselbe besonders erwünscht.
II. Die gewünschte Subvention aus der Ritter-Stiftung, von deren Ertrage für dieses Jahr noch 4000 M disponibel sind, erscheint gerechtfertigt || durch die bedeutenden Kosten, welche die Reise und die auf derselben anzustellenden Sammlungen für das Großherzogliche zoologische Museum in Anspruch nehmen werden.
III. Die nachgesuchte Empfehlung der Königlich Holländischen Regierung an ihre Beamten in Java und auf den Molukken-Inseln würde die wissenschaftlichen Zwecke meiner Reise wesentlich fördern können; ich habe dies in dem beiliegenden Gesuche an das Großherzogliche Staatsministerium in Weimar näher ausgeführt.
In der angenehmen Hoffnung, daß mein Gesuch eine wohlwollende Aufnahme finden wird, bleibe ich in aufrichtiger Verehrung
Ihr ergebenster
Prof. Dr. Ernst Haeckel
Director des zoologischen Instituts
an der Universität Jena.