Magnussen, Harro

Harro Magnussen an Ernst Haeckel, Berlin-Grunewald, 9. April 1902

Harro MagnussenGrunewald-Berlin, d 9 April 1902

BildhauerDelbrück-Strasse 23.

Sehr verehrter Herr Professor!

Ich bin tief geknickt. Sollte die Sache wirklich ein solches Ende nehmen? Das wäre entsetzlich, nicht nur für mich, sondern auch für Sie. Jedenfalls ist Herr Dr. v. Ritter nach dem Vertrage verpflichtet, die Änderungen, die er wünscht, auszusprechen. Ferner a muß er erstens die Rate von 5000 M zahlen, und wenn er von dem Vertrage zurücktreten will mich für meine geistige Arbeit, die im Entwurf und der Büste enthalten || sind, nach Taxe von Sachverständigen sowie für meine Auslagen und Entgang von Verdienst entschädigen. Nun aber zum brennenden Punkt für mich. Ich gebrauche bis spätestens zum Montag Morgen als allerletztem Termin die restierenden 2000 M als Zahlung für fällige Hypothekzinsen, es wird mir sonst meine Hypothek von 150.000 M, weil sie von der Preußischen Hypotheken Aktien Bank hergegeben ist, und diese Bank jetzt Baargeld braucht, selbstverständlich sofort gekündigt, und ich falle unendlichen Schwierigkeiten anheim, die mich wieder sehr niederdrücken würden. Können Sie, lieber Herr Professor, || mich aus der entsetzlichen Situation befreien, indem Sie mir b bis zur Ordnung der Angelegenheit die Summe vorstrecken? Ich weiß außer diesem unbescheidenen Schritte, die Ihnen die ganze, schon so fatale Angelegenheit, vielleicht noch unangenehmer macht, keine Rettung.

Eben wagte ich zu hoffen, daß ich mich wieder emporgearbeitet hätte, und jetzt gähnt wieder der widerliche Abgrund täglicher Geldsorgen mir entgegen. Wo bleibt da die Kunst. Ach würde der Herr v. Ritter doch wieder vernünftig. Jetzt kann ich keinen Erholungsurlaub nehmen, der mir so || sehr nötig. Trübe liegt wieder die Zukunft vor mir. Soll ich zu Ihnen kommen und mit Ihnen den Fall besprechen? Jedenfalls mache ich jetzt alle Modelle ganz fertig, auch die Statuetten, damit weder Sachverständige noch Herr Doktor v. Ritter irgend welche Aussetzungen an meiner Arbeit als solcher machen können. Entschuldigen Sie die Frage: Kennt Ihr Herr Sohn Herrn v. Ritter und ist etwa er gegen mich? Ich weiß nicht warum aber ich habe das Gefühl! Nehmen Sie mir bitte diese Frage nicht übel, ich kenne Ihren Sohn garnicht, habe ihn auch nie gesehen, aber …

Mit herzlichen Grüßen Ihr

niedergeschmetterter und doch noch hoffender

Harro Magnussen

a gestr.: hier; b gestr.: dieselben

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
09.04.1902
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 48644
ID
48644