Schmid, Ernst Erhard

Missiv des Dekans der philosophischen Fakultät, Ernst Erhard Schmid, Jena, 30. April 1879

Senior venerande!

Assessores gravissimi!

Allerdings ist in einem Consess am 24. Februar 1876 der Beschluß gefaßt worden, daß die Literaturgeschichte von der Liste der Examenfächer zu streichen sei und derselbe in das Modellbuch eingetragen. Ich ließ ihn außer Acht in Erinnerung daran, daß inzwischen die Habilitation eines Privatdocenten für Literaturgeschichte statt gehabt hat und dadurch dieselbe als ein Lehrfach auf unserer Universität anerkannt worden ist. Da die Abstimmung über die Bewerbung des Herrn Chabozy nicht einhellig ist, habe ich jedenfalls eine zweite Missive zu erlassen und ersuche Herrn Collegen Moritz Schmidt, der ernsthafte Bedenken gegen die Ausschließung der Literaturgeschichte hegt, mit seinem Votum vorausgehen zu wollen.

Hochachtungsvoll

Jena, d. 30 Apr. 79.

Dr. E. E. Schmid

d. Z. Dec.

Ich habe in diesem Fall keinen anderen Antrag als durch Consess den Beschluss vom 24. Februar 76, der übrigens nur gegen die sogenannte allgemeine Literaturgeschichte gerichtet war, wieder aufzuheben oder richtiger zu formuliren und beantrage einen solchen in der Voraussicht, dass nach Aufhebung des selben Coll. Fortlage oder College Sievers kein Bedenken tragen werden über Abhandlungen der vorliegenden Art ein informatives Votum abzugeben.

Moriz Schmidt

pr. Snell

Ich bin der Meinung, daß bei dem betreffenden Facultätsbeschluß nur die allgemeine Literaturgeschichte gemeint war, für welche wir keinen Vertreter unter uns haben, und betrachte es als selbstverständlich, daß die Beurtheilung von Schriften über Classiker der Culturvölker bei unserer Facultät nicht abgelehnt werden kann. Wohin sollte consequenter Weise das führen?

Stickel

Ich bin entschieden für eine Aenderung resp. Zurücknahme des fraglichen Beschlusses.

Ad. Schmidt ||

Nach meiner Ansicht können die einzelnen speciellen Literatur-Geschichten deshalb keine besonderen Examen-Fächer sein, weil ihre Kenntniß ohnehin bei Kenntniß der betreffenden Sprachen, die Examen-Fächer sind, vorauszusetzen ist; gegen die Zulassung der generellen Literatur-Geschichte hat sich die Facultät selbst bereits ausgesprochen. Ich bin daher für Verharren bei dem früheren Beschluß.

Haeckel

Ich bin gern bereit, in meine frühere Mitwirkung für das Fach Literaturgeschichte wieder einzutreten, im Falle die Facultät bei dem zu haltenden Conseß ihren am 24. Febr.1876 gefaßten Beschluß eben so entschieden zurücknimmt, als er damals (nämlich einstimmig) gefaßt worden ist.

Fortlage

Ich bin auch für eine Aufhebung oder richtigere Formulirung des in Frage stehenden Beschlusses.

E. Strasburger

Auch ich kann mich nur der Meinung anschliessen, dass der Fakultät Beschluss vom 24. Febr. 76 nur gegen die sog. allgemeine Literaturgeschichte und zwar als Examensfach gerichtet sei. Bei diesem Facultätsbeschluss scheint mir nur die Aenderung gegenüber unserem früheren Verfahren eingetreten zu sein, dass nicht mehr wie sonst eine mündliche Prüfung in der Geschichte der neueren Literatur als solche genüge, vielmehr Arbeiten aus dem Gebiete der neueren Literaturen als die betreffenden Specialfächer der philosophischen Wissenschaften gehörig angesehen werden und demgemäss an sie sich eine Prüfung von allgemeinem philologischen Charakter anzuschliessen habe. Ich habe mich nie geweigert, in dieser Weise über neuere deutsch-philologische Arbeiten zu referieren, habe aber andererseits auch stets an den Grundsatze festgehalten, dass die betr. Candidaten auch sprachliche Studien auf dem Gebiete der deutschen || Philologie gemacht haben müssen: einen Standpunkt, den man auf dem Gebiete der klassischen und orientalischen Philologie wohl stets unangefochten hat gelten lassen. Dass ich die Auffassung des Herrn Coll. Fortlage nicht theilen könne, habe ich bereits durch mein vorgängiges Votum angedeutet.

E. Sievers

pr. Delbrück (Nachdem ein Consess beantragt ist, halte ich eine schriftliche Erklärung nicht für nothwendig).

Wie Herr College Sievers [Eucken]

Zurück: 2 May 79.

Beschluß: Abhaltung eines Consesses. ESd d. Z. D.

Gemäß dem Beschlusse des gestrigen Consesses lege ich die Bewertung des Herrn Chabozy nochmals vor und ersuchen zunächst Herrn Prof. Sievers um sein votum informativum.

Hochachtungsvoll

Jena, d. 15. Mai 79.

Dr. E. E. Schmid

d. Z. Dec.

Decane maxime spectabilis,

Nach meinem Ermessen ist die Arbeit des Herrn Chabozy nicht druckfähig. Der Verfasser hat sich zwar in den benutzten literarischen Hülfsmitteln tüchtig umgesehn, aber auf der anderen Seite ist die Arbeit so voll von unfertigen Bemerkungen, dass sie als wissenschaftliche Leistung nicht qualificiert werden kann; unwissenschaftlich ist sie || auch schon in der ganz ungenügenden Weise der Quellencitierung, es findet sich in der ganzen Arbeit kaum ein Citat nach dem man die betreffende Stelle wirklich ermitteln könnte. Die Arbeit trägt eben durchaus den Stempel eines populären Aufsatzes, dem ja freilich einige gründliche Studien zu Grunde liegen. Ich bin daher für Abweisung der Arbeit.

Hochachtungsvoll

E. Sievers

Für AbweisungSnell

- A. Geuther

- Stickel

- Delbrück

- Fortlage

- A. Schmidt

- Haeckel

- E. Strasburger

- Moriz Schmidt

- R. Eucken

- H. Gelzer

Zurück: 21. Mai.

Beschluß: Abweisung.

ESd

 

Letter metadata

Gattung
Empfänger
Datierung
30.04.1879
Entstehungsort
Zielort
Jena
Besitzende Institution
Universitätsarchiv Jena
Signatur
UAJ, M 462, 39r-40v
ID
47424