Carl Welcker an Ernst Haeckel, Frankfurt am Main, [9. Februar 1917]
Frankfurt a. M.
Hermannstrasse 10 I
Sehr geehrter Herr Geheimrat!
Ew. Excellenz bitte ich ergebenst mir Mitteilung zukommen zu lassen ob, eventuell gegen Zahlung welchen Betrages man unter die Stifter bzw. als „ewiges Mitglied“ (wie der Monistensbund das nennt) bei dem Phyletisches Museum aufgenommen wird. –
Ich muss in Kürze wieder Heeresdienst leisten u. kann nicht voraussehen wie das Abenteuer endet. Ich will daher meinen || Testamentsvollstrecker beauftragen, im Falle meines Ablebens in erster Linie die freigeistigen Organisationen zu bedenken, derart, dass ich bei denselben als „ewiges Mitglied“ geführt werde. – Ich bin begeisterter Anhänger Ihrer natürlichen monistischen Religion u. Vorstandsmitglied der hiesigen freireligiösen Gemeinde. Seit Jahrzehnten fand ich einzig u. allein in der von Ihnen vertretenen Weltanschauung sittlichen Halt & innere Befriedigung. Die mir früher gewaltsam eingetrichterten christlichen Lehren || sowie der Sauf-Komment u. was man früher so alles als junger Offizier lernen musste erscheint mir heute nur noch als das Erinnerungsbild einer nicht unerheblichen Geisteskrankheit. Kurz gesagt: Ich bin froh das ich‘s los bin. –
Ich bin zum Lesen Ihrer Bücher dadurch gebracht worden, dass ich einmal in Cöln in der Elektrischen Zeuge war, wie entsetzlich auf Sie geschimpft wurde. Das war die Reklame! Ich bestellte mir sofort Ihre Bücher um selbst zu prüfen und ward || auf diesem Wege zu einem Ihrer Anhänger. Ich habe bis jetzt noch keinen Menschen getroffen der – natürlich vorausgesetzt dass er unparteiisch an die Lektüre Ihrer Bücher ginga – nicht mehr oder weniger begeistert von deren Inhalt war. Die meisten Leute werden eben durch die starre Orthodoxie des Kaisers eingeschüchtert u. wagen nicht der von ihm vorgezeichneten Richtung zu widersprechen. –
In tiefster Verehrung bleibe ich allzeit
Ew. Exzellenz
ergebenster
Carl Welcker
Oberleutnant a.D.
a gestr.: gegangen war; eingef.: ging