Carneri, Bartholomäus von

Bartholomäus von Carneri an Ernst Haeckel, Marburg an der Drau, 24. Februar 1897

Marburg 24. II. 97.

Geliebter und verehrter Freund!

„Ich habe Frau und Tochter glücklich an die riviera gebracht und in einem Zustande, daß ich auf einige Wochen mich nach Sicilien wagen konnte, wo ich eine neue Arbeit in Angriff nehme.“

Erfreut, wie ich’s kaum noch durch etwas sein könnte, hab’ ich diese Worte von der Adreßschleife herabgelesen, die mir der Imparziale vom 19. und die Gazzetta di Messina vom 20. dieses brachte, aus denen || ich entnehme, wie enthusiastisch die Universität Sie begrüßt hat.

Gleich nach Empfang hab’ ich diese liebe Nachricht an Frl. delle Grazie weiter gegeben, von der ich gleichzeitig einen kurzen, glücklicherweise ganz befriedigenden Bericht über Prof. Müllner’s Befinden erhalten hatte. Der Ärmste war kürzlich in Folge eines Gelenksrheumatismus, der das Herz in Mitleidenschaft gezogen, dem Tode nahe. Er ist nun außer Gefahr, jedoch die Aufsaugung eines Exsudats || dürfte die gänzliche Herstellung noch etwas verzögern. Wenn Sie die zwei Blätter nicht auch nach Wien geschickt, so hab’ ich mit der Sicilianer Nachricht einen unendlich wohlthuenden Lichtstrahl in’s Cottage gesendet; denn diese zwei Menschen hängen an Ihnen mit grenzenloser Verehrung.

Meine Kinder, die Sie herzlich grüßen, sind nicht weniger erfreut. Sehr gesund ist die Lection, die die Gazzetta di Messina den Studenten ertheilt. Tout comme chez nous. Es wird || schon noch wieder besser werden, allein die heutige Generation kennt nur ein Ideal – den sport. Die Begeisterung für den Zug nach Kreta hat, wie die für den Zug nach Transvaal, nur diesen Kern.

Oder bin ich schon zu alt? Nein, innerlich bin ich noch nicht alt. Und weil ich eben von mir rede: es geht mir eher schlechter, aber ich leide weniger und habe durchschnittlich gute Nächte. Weiß man, was schlechte Nächte sind, so sagt man da: Caro, che vuoi di più?

Ihnen klaren Himmel, ruhige See und durch Wohlbefinden gestählte Arbeitslust wünschend, drücke ich Sie in liebevoller Dankbarkeit an’s Herz, Ihr unwandelbarer

Carneri

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
24.02.1897
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 4710
ID
4710