Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Max Vollert, Jena, 28. Juli 1909

Jena, 28. Juli 1909

Abschluß des Kompetenz-Konfliktes Haeckel/Plate

Hochgeehrter Herr Kurator!

Durch die 3 stündigen mündlichen Verhandlungen, welche am 21. Juli dieses Jahres in Ihrem Dienstzimmer und unter ihrem Vorsitz zwischen mir und meinem Amtsnachfolger, Herrn Prof. Plate, geführt wurden, war der Kompetenz-Konflikt, der seit vier Monaten zwischen uns beiden in Betreff des Phyletischen Museums bestand, endgültig erledigt; beide Parteien erklärten sich mit Ihren Vermittlung-Vorschlägen einverstanden. Dem von Ihnen verfaßten Protokoll darüber, welches sie mir am 24. 7. zusandten, habe ich zugestimmt und weder Änderungen noch Zusätze beantragt.

Dagegen hat Herr Prof. Plate, wie ich aus dem heute von Ihnen übersandten Schriftstück ersehe, mehrere wesentliche Änderungen an dem Protokoll vorgenommen, welchen ich nicht zustimmen kann. Ich muß dazu folgendes bemerken: ||

I. In unserer mündlichen Verhandlung vom 21./7 hatte Herr Prof. Plate seinen mehrfach wiederholten Vorwurf, daß ich bei seiner Berufung „falsches Spiel mit ihm getrieben habe“, widerrufen und anerkannt, daß er mir den Vorwurf böswilligen Verhaltens in keiner Weise machen könne. Diesen ganzen Passus (Nr. 2 Ihres Protokolls) hat Herr Prof. Plate gestrichen und bleibt also bei seinen schweren, gegen mich gerichteten Beschuldigungen (– die durch Nichts begründet sind –) stehen.

II. In Betreff der Bücher, welche nicht katalogisiert, aber auf Kosten der Ritter-Stiftung und des Zoolog. Instituts angeschafft sind, hatte ich zugesagt, Bestimmung zu treffen, „sobald ich Zeit dazu finde“ (Satz I Ihres Protokolls). Wenn Herr Prof. Plate statt dessen jetzt setzen will: „im Laufe des August und September“, – so kann ich diese Beschränkung nicht anerkennen.

III. Ich muß überhaupt meinem Herrn Amtsnachfolger jedes Recht absprechen, meine früheren Amtshandlungen Untersuchungen zu unterziehen, sowie a mich wegen Verwendung der dabei || verbrauchten Gelder zur Rechenschaft zu ziehen. Zu diesen Amtshandlungen, für welche ich bloß meiner vorgesetzten Behörde (Kuratel und Ministerium) verantwortlich bin, gehört ebenso der Ankauf von Büchern, Naturalien, Gläsern, Instrumenten u.s.w. Ich habe in Betreff dieser wichtigen Befugnisse 5 Institutsdirektoren befragt:

Professor Lang (Zürich),

Professor R. Hertwig (München)

Professor Rabl (Leipzig)

Professor Maurer (Jena)

Professor Stahl (Jena) – außerdem meinen rechtskundigen Kollegen Professor E. Rosenthal und den früheren Kurator, Excellenz Dr. von Eggeling. Der letztere kennt seit 25 Jahren als mein Vorgesetzter meine Amtshandlungen in allen Einzelheiten. Alle 7 Herren halten mein Verfahren für durchaus b rechtmäßig; sie bestreiten zugleich prinzipiell die Berechtigung von Prof. Plate, dasselbe anzugreifen.

IV. Herr Prof. Plate hat zu den Bestimmungen den Zusatz gemacht: „Herrn Prof. Plate stehtc das Recht zu, jene nicht katalogisierten Bücher (– über welche ich freie Verfügung beanspruche –) „alle diejenigen an die Bibliothek des Zoolog. Instituts abzuführen, welche nachweislich aus dem Fond des Zoolog. Instituts angeschafft worden sind.“ – Die Berechtigung || dieses Zusatzes kann ich nicht anerkennen.

V. Wie ich bereits mündlich und schriftlich erklärt habe, bin ich gern bereit, meinen Herrn Amtsnachfolger gewünschte Aufklärungend über Fragen des Zool. Instituts und seiner Bibliothek, die ich beide begründet und seit 48 Jahren verwaltet habe, zu geben. Eine besondere Verpflichtung dazu kann ich aber nicht anerkennen; insbesondere nicht über Tausende von speziellen Ankäufen, welche ich im Laufe dieser langen Zeit im Interesse des Zoolog. Instituts und seiner Bibliothek gemacht habe. – Nachdem ich durch diesen bedauerlichen Konflikt 4 Monate Zeit und Arbeitskraft verloren habe, sehe ich ihn durch die Verhandlungen vom ein 21. 7. für beendigt an und kann ich auf keine weiteren Verhandlungen mit Prof. Plate darüber eingehen. Wenn sich derselbe mit dem von Ihnen, hochgeehrter Herr Kurator, aufgestellten Protokoll vom ein 21/7 nicht einverstanden erklärt und weitere Anklagen gegen mich erhebt, so muß er sich an die vorgesetzten Behörden wenden, an Kuratel und Ministerium.

In Verehrung und Hochachtung

Ihr ergebener

Ernst Haeckel.

a gestr.: auch; b gestr.: rechtskräftig; c eingef.: steht; d eingef.: Aufklärungen

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Empfänger
Datierung
28.07.1909
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 46759
ID
46759