Crompton, Ella von

Ella von Crompton an Ernst Haeckel, Grunewald, 18. August 1916.

Berlin-Grunewald, Charlottenbrunnerstr. 4

18. Aug. 1916.

Hochverehrte Excellenz,

für Ihren lieben guten Brief danke ich Ihnen herzlichst. Ich freue mich über die Erlaubnis von Karl Bauer – ich bitte Sie, mir das Zeichenpapier gütigst nach Gr. Brütz und zwar gefaltet zu schicken, vielleicht ungefähr in der Größe Ihrer Skizzenblöcke, wie es am besten ausgiebt. Ich danke Ihnen herzlich für das Geschenk.

Ebenso bitte ich die beabsichtigte Empfehlung an den Herzog erst zu schreiben, wenn ich dort bin. – Ob ich überhaupt noch dorthin kommen werde oder ob meine Nerven noch so lange standhalten werden, weiß ich nicht. Denn – ich weiß nicht, warum das Leben mich || immer so hart anfaßt, warum es stets noch einen äußersten Trumpf für mich bereit hält. Kurz u. gut – Dienstag schickte ich den ersten Möbelwagen ab – u. Mittwoch früh wurde mein Mann plötzlich verhaftet und als Engländer nach Ruhleben gebracht – die Welt ist eben das größte Tollhaus, das sich denken läßt. Als ob in dieser schweren Zeit nicht jeder genug mit sich selbst zu tun hätte, nein, da kommt solch ein ehrloser Schuft, (den ich aber noch herausbekommen werde,) und denunziert meinen Mann aus elender Rache. Und jetzt mit 1 x im dritten Jahre des Krieges (weil Fluchtverdacht vorliegt, d. h. weil ich Möbel nach Mecklenbg. schicke) wird mein Mann, der allerdings in Queenstown – Afrika geboren ist, noch nicht einmal ordentlich Englisch kann, mit Gewalt zum Engländer gestempelt, obgleich sein Vater preuß. Major || war, seine Brüder für’s Vaterland gefallen sind, er selbst im Kadettenkorps erzogen, sein Jahr in Gotha abgedient, und preuß. Amtsvorsteher geworden ist. Wenn die Sache nicht so bitter ernst wäre, so könnte man lachen. Aber so – bei dem geistigen Zustand meines Mannes und seinem übertrieben ausgeprägten Ehrgefühl, bekomme ich ihn hernach endlich vielleicht als gebrochenen Mann zurück. Und meine ganze Existenz steht mit auf dem Spiel. Denn folgerichtig werde ich dann doch auch Engländerin und unterliege den Bestimmungen. Da dies zu befürchten ist, möchte ich Sie bitten, lieber, guter Herr Geheimrat, Ihre Briefe vorläufig verschlossen in ein anderes Couvert zu packen u. dieselben zu adressieren an Hr. Oberstlt. von Baumbach, Grunewald, Charlottenbrunnerstr. 6. Dieser Jugendfreund meines Mannes hat sich dazu erboten, damit meine Privatkorrespondenz nicht geöffnet wird von der Zensur ev. Er hat mir auch bis jetzt treu zur Seite gestanden, aber wir haben bis jetzt noch nichts erreicht. || An den hohen ausschlaggebenden Stellen ist noch nichts von der Sache bekannt. Wir können nichts weiter tun, als nachforschen und erneute Eingaben machen. – Und einen Ekel bekommt man vor dieser Bestie, genannt Mensch, was jetzt hier Alles für Behauptungen u. Verdächtigungen herumschwirren ich war heute schon ganz zusammengebrochen von all der Gemeinheit. v. Baumbach hat gut reden, daß es mir doch schließlich egal sein könnte, was solche Halunken reden, wenn ich nur die gute Meinung der Menschen hätte, die ich hochschätzte. Es ist ja etwas Wahres daran – aber trotzdem – Doch nun will ich nicht weiter klagen und Sie beunruhigen. Ich erhielt auch denselben Bescheid von der Tägl. Rundschau u. wollte Ihnen, lieber, guter Herr Geheimrat, nach endgültigem Bescheid gleich danken für Ihren so lieben, guten Brief mit der schönen Erinnerungskarte von Burgau. Doch nun kam dieser neue Schlag dazwischen – so tue ich es erst heute. Nochmals innigsten Dank für Alles, lieber, guter Herr Geheimrat, u. bitte bleiben Sie mir ein wenig gut. Es grüßt u. dankt Ihnen auf’s Innigste stets

Ihre Sie hochverehrende, treu ergebene

Elli von Crompton

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
18.08.1916
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 4519
ID
4519