Wilhelm Breitenbach an Ernst Haeckel, Brackwede, 1. Januar 1909
NEUE WELTANSCHAUUNG
MONATSSCHRIFT FÜR KULTURFORTSCHRITT …
AUF NATURWISSENSCHAFTLICHER GRUNDLAGE
REDAKTION: DR. W. BREITENBACH, BRACKWEDE I. W.
GESCHÄFTSSTELLE: STUTTGART
BRACKWEDE, Brackwede, 1.1.1909
Sehr geehrter Herr Professor!
Besten Dank für die freundliche Uebersendung Ihres Artikels gegen Brass in der Berliner Volkszeitung. Ich bin gespannt zu sehen, wie Ihre Entgegnung in der Presse aufgenommen wird. Gestatten Sie mir den Aufsatz eventuell im Februarheft der Neue Welt Anschauung abzudrucken? Im Januarheft, das bereits unter der Presse ist, erscheint mein Aufsatz, von dem ich Ihnen einen Bürstenabzug geschickt habe. Da die Volkszeitung doch nur eine geringe Verbreitung ausserhalb Berlins hat und wohl kaum eine Zeitung Ihren ganzen Aufsatz wörtlich abdruckt, so werden leider nur Bruchstücke Ihrer Entgegnung in weiteren Kreisen bekannt, was ich sehr bedaure. Darum würde ich gern das Ganze abdrucken und vielleicht noch einige Bemerkungen daran knüpfen. || Herra Dr. L. Bergfeld – Heidelberg hat mir einen Aufsatz über Chwolsen-Brass geschickt, den ich gleichfalls so bald wie möglich bringen werde. Aus den Kreisen des Monistenbundes erhalte ich fortgesetzt Briefe von Herren, die sich nach der Angelegenheit Brass erkundigen und ihrer Verwunderung Ausdruck geben, dass der Vorstand des Bundes Sie nicht energisch in Schutz nehme. Ich kann die Herren nur auf meine Neue Welt Anschauung verweisen, die freiwillig und gern das übernimmt, wozu der M.-Bund eigentlich doch wohl verpflichtet wäre. Haben Sie übrigens gelesen, was Francé im letzten Heft seiner Zeitschrift über den Bund geschrieben hat? Es ist bedauerlich, dass unsere schöne Gründung, an der Schmidt, ich und andere mit so grosser Begeisterung hingen, verflacht.
Es hat mich gefreut zu hören, dass Ihr Unfall wohl keine schlimmen Folgen haben werde. Herr Neumann, der Sie kürzlich besucht hat, teilte mir mit, dass Sie schon wieder an einem || Stock durch’s Zimmer gehen könnten. Unter solchen Umständen werden Sie die Darwin-Rede doch wohl noch halten können. Ich selbst spreche am 15. d. M. in Krefeld über ‚50 Jahre Darwinismus‘.
Mit dem herzlichen Wunsch, dass Ihnen das Jahr 1909 nicht solchen Aerger bereiten möge wie das abgelaufene, und mit den besten Grüssen bin ich
Ihr treu ergebener Schüler
D. W. Breitenbach
a korr. aus: Herrn