Carl Heinrich Thiele an Ernst Haeckel, Solln, 15. Februar 1918
Solln 15. Februar 1918
Hochverehrter Meister!
Wie alljährlich so bringe ich Ihnen auch heuer meine ehrerbietigsten und herzlichsten Grüße zum Geburtstag dar. Leider ist es Ihnen auch dieses Jahr nicht vergönnt in Frieden Ihren Geburtstag zu begehen, und so kann man nur hoffen und wieder hoffen, daß dieses Mal das letzte sei, daß der nichtswürdige Krieg verstimmend in die Festesfreude über Ihren Geburtstag hineinwirke. Ich für mein Teil muß ja sagen, daß je länger der Krieg || dauert, desto sicherer das Ende des fluchwürdigen Militarismus und Gewaltprinzips zu erwarten ist. Es wird und muß der Aufstieg von den niederen nationalen Organisationen zu der höheren internationalen Menschheitsorganisation kommen – das ist ein Naturgesetz, nicht aber der Krieg. Möge bis dahin das deutsche Volk nicht ganz aufgerieben sein, sondern noch Keime für eine bessere, wahrhaft und ehrlich friedliche Gesinnung in sich tragen. In diesem Sinne gedenke ich Ihrer, hochverehrter Meister, heute und verbleibe in steter Verehrung
Ihr getreuer Jünger
C. H. Thiele