Crompton, Ella von

Ella von Crompton an Ernst Haeckel, Grunewald, 30. März 1913.

Berlin-Grunewald, Charlottenbrunnerstr. 4

30. März 1913.

Hochverehrte Excellenz,

wie war ich erstaunt, als gestern der Paketbriefträger zu mir kam und noch unendlich größer wurde meine Überraschung und Freude, als ich sah, daß es ein Paket von Ihnen war, hochverehrter, lieber, guter Herr Geheimrat! Ganz besonders herzlich und innig danke ich Ihnen aber für diesen ersten, auszeichnenden Federstrich aus dem Phyletischen! Wie furchtbar lieb und gut von Ihnen, sich meiner so lieb zu erinnern! || Innigsten Dank auch für die liebe Dedikation! Ganz besonders bin ich Ihnen aber dankbar für das „System der Siphonophoren“, das es mir sehr erleichtern wird. Sehr, sehr freuen mich auch die „Organismen der Medusen“ meiner ganz besonderen Lieblinge, die ich mir nun in aller Ruhe und Sammlung durchstudieren kann und mich immer wieder an ihren prächtigen Formen erfreuen. Wie lange darf ich sie wohl behalten?

Eine sehr, sehr große Freude war es mir, daß Sie nun wieder hinausgekommen sind, daß die liebe Frühlingssonne auch Sie hinausgelockt hat. || Wenn auch Ihr schönes, luftiges Arbeitszimmer mit seinem prächtigen Balkon und der unvergleichlich schönen Aussicht auf den „Berg mit dem rötlich strahlenden Gipfel“, herrlich ist, so ist es draußen, direkt von der lieben Sonne, der allmächtigen Heilerin beschienena, doch noch viel schöner und vor allem viel heilsamer für Sie. Ich wünsche und erhoffe immer schönere, sonnigere Frühlingstage für Sie, daß Sie Ihre Ausfahrten wieder regelmäßig aufnehmen können. Für den alten Pohle war es wohl auch ein Fest, Sie, hochverehrter, lieber, guter Herr Geheimrat, nach so langer Zeit wieder einmal ausfahren || zu dürfen.

Recht beruhigt hat es mich zu hören, daß Sie jetzt ständig eine Pflegerin haben und hoffe ich nur, daß die Nachricht wahr ist, die ich hierüber hörte, daß der Monistenbund Ihnen aus Hamburg eine Dame zu Ihrer persönlichen Pflege besorgt hat. Ich hoffe sehr, daß dieselbe Ihnen auch recht sympatisch [!] und angenehm ist und bitte Sie nur herzlich, sich doch nun auch wirklich recht umsorgen und pflegen und bedienen zu lassen.

Haben Sie übrigends im 1. Beiblatt des 23. März („Berliner Tageblatt“ „Das neue Aquarium“ von Prof. Dr. L. Heck gelesen? || Wenn nicht, so schicke ich Ihnen die Nummer umgehend zu. Prof. Heck schreibt darin so hübsch von Ihren „Kunstformen der Natur“. Von Ihren Korallen und Algenmotiven sind die Füllungen der Brustwehr des Dachumganges gebildet. Ich habe mich herzlich darüber gefreut und mir den Bau gleich angesehen. Er wirkt aber wirklich prächtig; besonders die beiden Dornschwanzechsen, die sich ganz ungezwungen über dem Straßeneingang dem Ganzen einfügen.

Augenblicklich habe ich noch immer nichts zu tun. Hr. van Santen ist nach Neapel bis Ende April gereist. Die Nach-||richt, daß Direktor Dr. Kötschau nach Düsseldorf geht, scheint sich doch zu bestätigen. Er soll ganz aus dem Staatsdienst scheiden, er soll sich in Berlin nicht wohl gefühlt haben, was ich ihm unter Bode (dem Protegée des Kaiser’s) nicht verdenken kann. Mir persönlich täte es sehr leid, da ich in ihm einen sehr verständigen, einflußreichen Berater verlieren würde. Zur Zeit soll er noch immer krank sein.

Von Herzen wünsche ich, daß es Ihnen und Ihrer hochverehrten Gemahlin gut geht, das Befinden derselben ein bedeutend besseres ist. Mit der || Bitte, mich ihr bestens zu empfehlen, bin ich mit den herzlichsten Wünschen für Alles Gute und Liebe für Sie, hochverehrter, lieber, guter Herr Geheimrat, und innigen Grüßen, denen mein Mann sich auf’s Beste anschließt, immer und stets

Ihre Sie so hochverehrende, Ihnen stets treu und innigst dankbar ergebene

Ella von Crompton

P. S. Denken Sie jetzt in dem schönen, hellen Frühlingssonnenschein nicht wieder an neue Arbeit, an die Herausgabe Ihrer älteren Reiseskizzen? Es würde sicher Vielen eine sehr große Freude || sein. Ich schließe dabei ganz egoistisch von mir auf Andere; denn ich möchte doch auch für mein Leben gerne die köstlichen, ersten Schilderungen Ihrer Reisen lesen, die mir doch sonst ganz unzugänglich sind. Dazu Ihre ersten Aquarelle ausgewählt. Es würde sicher ein köstliches, frisches Buch voll Mut und Lebensfreude, bezwingend in seiner Freude an allem Wahren, Guten und Schönen! Ach bitte, lieber, guter Herr Geheimrat, treten Sie doch dem Plan näher, und machen Sie sich doch daran! – – – – –

P. S. Das erste selbstgepflückte u. gezogene Veilchen als kleinen Frühlingsgruß!b

a eingef.: beschienen; b weiter am Rand auf S. 1: P.S. Das … Frühlingsgruß!

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
30.03.1913
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 4471
ID
4471