Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 3. März 1860
Berlin 3/3 60
Mein lieber Herzens Ernst!
Das viele Hin- und Her-Schreiben, Sprechen und Berathen, was durch Deine Zurückkunft veranlaßt ist, bestimmt mich, Dir ganz offen meine Ansicht darüber mitzutheilen; daß ich es wünsche Du kämst je eher je lieber, versteht sich von selbst. Doch das soll nicht in Betrachtung kommen, sondern es sind andere Gründe, warum ich Dir aufrichtig schreiben muß, daß Du bald kommen sollst: Du bist es Anna schuldig nicht länger auszubleiben, als nöthig ist; Jetzt ist Anna, Gott sei Dank, viel besser; sie und ihre Mutter halten sie für ganz || gesund, aber ihr Zustand hat uns viel Sorge gemacht; schon als sie aus Westphalen kam, fand ich sie nicht gut, sehr gereitzt, und bald stellte sich Appetitloosigkeit und Schlafloosigkeit ein, die gar nicht weichen wollte. – Damals schrieb ich Dir beifolgenden Brief, den Vater aber nicht erlaubte abzuschicken, weil er meint, er würde Dich betrüben, und es würde genug sein, wenn er Dir schriebe, Du sollest im März zurück kommen. Quincke war ungehalten, daß || mein Brief nicht abgegangen sei; ich beruhigte mich, weil es wirklich anfing mit Anna besser zu gehn, nun aber die Rede davon ist, ob Deine Abwesenheit noch verlängert werden soll, halte ich es für seine [!] Pflicht, Dir alles offen zu schreiben; denn, wenn ich Dir auch in Wahrheit die Versicherung geben kann, daß ich Anna jetzt recht gut finde, gestern Abend waren sie hier, so glaube ich doch es wird erst ganz gut, wenn Du wieder hier bist. Dazu kommt nun || noch, daß Anna zeitig nach Heringsdorf soll um sich durch Landluft zu stärken, schon im Mai, und wird dann wohl den ganzen Sommer dort bleiben, kommst Du also nicht bald, so würdet Ihr Euch wenig sehn. –
Was nun Dein Studium dort anbelangt, so mußt Du doch einmal abbrechen; ergründen und erschöpfen kannst Du nunmal nicht alles, und je länger Du dort bleibst, jemehr wird es Dich fesseln. − −