Crompton, Ella von

Ella von Crompton an Ernst Haeckel, Haus Schönow bei Zehlendorf – Berlin, 01.05.1910

z. Zt. Haus Schönow b. Zehlendorf – Berlin.

1. Mai 10.

Hochverehrte Excellenz,

innig wünsche ich, daß es Ihnen, lieber, guter Herr Geheimrat, recht gut gehen möchte u. Sie von Ihrer Reise recht gekräftigt und erfrischt heimgekehrt sind. Vielleicht haben Sie meinen kl. Osterbrief in Jena vorgefunden? Mir geht es leider gar nicht schön und ich bin in recht bedrückter Stimmung. Der Fall damals im Winter mit Gehirnerschütterung hat leider so böse Folgen gehabt, daß ich ganz fertig bin und nun hier im Sanatorium bin, was mir garnicht gefällt. Das Leben drückt so, und mein Herz wird immer schwerer – die kleine Stellung, von der ich Ihnen Ostern schrieb, mußte leider von Frl. Mommsen anderweitig besetzt werden, da sie bei || meinem Zustand nicht länger darauf warten konnten. Die Frl. Mommsen haben auch so darauf gedrungen, daß ich etwas Energisches für mich tue und mir, obgleich ich ihnena doch fremd bin, die Wege geebnet, indem sie mir hier eine halbe Freistelle verschafft und für das übrige aufkommen, daß ich in Ordnung bringen soll, wenn ich wieder arbeiten kann. Andere würden glücklich sein, ich weiß nicht – ich habe garkeinen Lebensmut mehr; ich bin schon 3 Monate krank von dem Fall u. liege so brach, was mir bei meiner tätigen Natur am schwersten fällt. Die Lebensfreude und die Lust ist eben fort, ich habe nur Sehnsucht nach unendlichem Ausruhen und bedaure, daß ich Frl. Mommsen, deren wirklich rührend, warmes Interesse an mir ich nicht begreife, nachgegeben habe u. das Opfer, hier zu sein || angenommen habe u. bringe. –

Der Direktor hier flößt mir garkein Vertrauen ein, ich glaube ein Prof. Laehrb

Ach, guter, lieber Herr Geheimrat, bitte nicht böse sein, daß ich Ihnen so mein Herz ausschütte, doch Sie sind der einzige Mensch, zu dem ich unbegrenztes Vertrauen habe u. es ist mir so schrecklich einsam und weh zu Mut. –

Bitte, wenn die ein bischen Zeit haben, so schreiben Sie mir doch bald ein paar Zeilen über Ihr Ergehen, wenn Sie es nicht für zu unbescheiden halten. Ich würde mich darüber so sehr freuen. Wie weit sind Sie mit Ihren Lebenserinnerungen gekommen? Frl. Holgers sandte mir neulich Billets zu einer „Nora“-Vorstellung, die ich leider nicht ansehen konnte, da ich doch hierher mußte, er tat mir so sehr leid. Ich hoffe sehr, sehr, daß Sie, lieber, guter Herr Geheimrat, meine || Bitte nicht zu unbescheiden finden u. wenn es Ihre Zeit irgend erlaubt, mir ein bischen schreiben, damit ich doch etwas zum Trost hier von Ihnen habe. Ich bin eben leider so stark auf den Hinterkopf gefallen, daß ich ständig Kopfschmerzen habe und dann sanft, – da ist es kein Wunder, wenn man nur den einen Wunsch nach Ruhe hat, nicht wahr? –Wenn es noch einmal besser werden sollte, so will Frl. Mommsen zusehen, mir eine kl. Stellung zu besorgen, bei der ich auch etwas der Menschheit nutzen kann u. nicht mehr in ein Geschäft brauche, wozu ich ihnen allen zu schade wäre, ganz abgesehen, daß es mir ja auch anstrengend wäre. Ich habe ja nie geklagt, weil das eiserne Blut dahinterstand. Aber vielleicht war der Winter in dem Geschäft das Härteste, was ich durchgemacht, ich glaube, länger dort, wäre ich gemütskrank geworden. So alles u. jedes Interesse bei Seite setzen müssen, nur für das knappe Essen und Trinken sorgen müssen u. davon so totmüde sein, um jedes Interesse zu verlieren, das ist mehr wie Tod! Ach, nun bitte seien Sie mir aber nicht böse, lieber, guter Herr Geheimrat, das Herz geht halt durch. Ich hoffe mir herzlich, daß es Ihnen auch recht gut geht. Ihnen Alles Gute wünschend, mit den innigsten Grüßen Ihre Sie hochverehrende, Ihnen treu ergebene, aufrichtig dankbare

Ella v. Crompton geb. Gewertc

Ach bitte, lieber, hochverehrter, guter Hr. Geheimrat, haben Sie nicht ein kl. letztes Bild übrig von Ihnen für mich zum Trost? Ich würded mich so unendlich freuen, Sie hier zu haben! Aber bitte nichte böse sein! Ihre alte, treue, Sie hochverehrende Ella v. Cr.f

a korr. aus: Ihnen; b eingef. für gestr. Text: Laehr; c weiter am Rand auf S. 4: mit den … Gewert; d weiter am Rand auf S. 3: Ach bitte … würde; e weiter am Rand auf S. 2: mich so … nicht; f weiter am Rand auf S. 1: böse sein … v. Cr.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
01.05.1910
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 4391
ID
4391